Gender und Diversity
Der Gleichheitsgrundsatz verlangt nach einer Auseinandersetzung mit bewussten und unbewussten Ausgrenzungsmechanismen sowie dem Thema Rassismus.
Das Prinzip der Anerkennung verweist auf eine Überprüfung des kulturellen Selbstverständnisses von Institution und Gesellschaft.
Professor Auernheimer, Universitätsprofessor im Ruhestand für allgemeine und interkulturelle Pädagogik im ehemaligen Seminar für Pädagogik der Uni Marburg und Köln, setzt seine Thesen über zwei Voraussetzungen für eine erfolgreiche Interkulturelle Auseinersetzung mit dem Thema Rassismus fort: Gleichheit der Rechte, Gleichheit der Bildungs- und Sozialchancen und die Motive für die Anerkennung von Lebensformen.
Er fasst die notwendigen Voraussetzungen für ein Leben in Gleichheit zusammen. Seinen theoretischen Grundlageprinzipien folge ich, jedoch mit folgender Einschränkung:
Gegen die Idealform der „Anerkennung verschiedener Lebensformen“ kann man schwerlich etwas einwenden.
Aber erstens muss beachtet werden, dass in der Realität die Beschreibung der verschiedenen Lebensformen meist an männlichen Lebensformen orientiert ist. Durch eine unreflektierte Anerkennung der geläufigen Lebensformen korrespondiert man somit mit Identitätskonstruktionen, die auf männlichen Reziprozitätsnormen begründet sind.
Dadurch bietet man kaum mehr Spielräume für neue Entwicklungen. In diesem Konzept wird der Frau nicht die Möglichkeit gegeben, sich eigenständige neue Idealtypen von Lebensformen zu entwerfen.
In diesen Lebensformen sind die Grenzen in der Konstruktion von Gemeinschaften und Lebensformen klar bestimmt. Selbst da, wo die Frau sich aus alten Strukturen befreien möchte, bleiben Mittel und Mechanismen, Regeln und Normen, Sprachen und Werte, Erwartungen und Haltungen weiter männlich und somit entsteht nichts Neues, sondern im besten Fallen lediglich modifizierte Lebensformen.
Damit werden auch die Rollen und der Umgang, also die Bedingungen der Möglichkeiten und ihr gesellschaftlicher Verwendungszusammenhang im Sinne vom Habermas, nämlich unser Soziales Handeln, das sich zusammensetzt aus kommunikativem Handeln sowie aus strategischem, wiederholt. Mal verdeckt strategisches Handeln bewusste Täuschung bzw. Manipulation oder unbewusste Täuschung, auf Grund von durch das System verzerrter Kommunikation - so Habermas
Sie werden symbolisiert und zum Teil idealisiert. Das heißt, sie bekommen ästhetischen Ausdruck
Dieser Prozess der Gemeinschaftsbildung findet sowohl von dem konstruierenden Teil als auch von den der Gemeinschaft zugeschriebenen Personen statt.
Drittens trennt sie die Welt in Konzepte von "UNS" und "DENEN" und ist der Ausdruck der Legitimität einer natürlichen Gemeinschaft, die ausschließlich innerhalb eigener Grenzen fungiert.Wir haben es aber im Kontext von Gender und Diversity mit einer ausgesprochen interessanten Gemengelage zu tun.
Viertens verstärkt sich die Homogenisierungsgefahr in diesem Konzept.
Wir machen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, gerade im Umgang mit dem Thema Migration, die alltäglichen Erfahrungen, dass Migration nicht nur vielfältig, individuell und global geworden ist, sondern immer mehr verweiblicht wird.
Der Aspekt der weiblichen Migration bekommt nach wie vor nur dann Beachtung, wenn man von Zwangsehe, Genitalverstümmelung oder Gewaltopfern ausgeht.
Dass Frauen aus unterschiedlichsten Gründen und aktiv ihr Leben gestalten können und wollen und Migration ein Ausdruck davon ist, wird weiterhin vernachlässigt.
Das kulturelle Selbstverständnis in einer Gesellschaft bestimmt mit Nachdruck die Kriterien, welche die institutionellen- und zwischenmenschlichen Beziehungen regeln. Sie setzen auch die Wertschätzung von Einzelnen in der Gemeinschaft fest.
Je geschlossener eine Gemeinschaft ist, umso beschränkter ihre geltenden Ordnungen oder ihr Sinngehalt sind, umso mehr ist die Teilnahme ausschließlich an Bedingungen geknüpft so - Max Weber.
Das Leben des Individuums in einer Gesellschaft besteht in einem Kreis von Anschauungen, Vorstellungen, Schätzungen, Ideen, Werten, Urteilen, Vorurteilen und Motivation, die wir im Verlauf der Sozialisation internalisieren.
Die Mechanismen der Sozialisation wie die Übertragung der Ideen, Werte, Motivationen der Vorbilder auf die Nachbilder sind wichtiger als das, was man internalisiert bekommt. Nicht die Inhalte sind entscheidend, sondern die Formen der Sozialisationsprozesse.
Frauenforscherinnen und interkulturellen Analytikerinnen haben in ihren Forschungen nachgewiesen, dass die geschlechtlich und ethisch begründete Ungleichheitslage deutliche Überschneidungen aufweisen, die aber keineswegs deckungsgleich sind.
Beide Disziplinen haben in bestimmten Verfahren gute zuverlässige Lösungs- und Optimierungsmodelle entwickelt, die man als „Werkzeug“ sensibel in alltäglichen Entscheidungen einsetzen kann.
Mit einem kritischen Blick macht Genderforschung auf ein entscheidendes Merkmal der Ungleichheitslage aufmerksam, nämlich die reale Differenz zwischen der Gleichheitssemantik und dem Gleichheitsmechanismus.
Auf eine deskriptiv-normative Arbeitsweise und mit theoretischer Perspektive weist sie auf die widersprüchliche Gleichzeitigkeit von kategorialen und graduellen Klassifikationen hin.
Durch heuristische und analytische Auseinandersetzung mit Themen wie Kultur und Gender nimmt die Genderforschung das apriorische Wissen einer allzu starren Interpretation des dichotomen Verständnisses von Natur/ Kultur, Mann/ Frau, wir / andere, Ich/ du, etc in Blick und lieferte eine Fülle von Belegen, dass die Symbolische Ordnung von Geschlecht und Kultur sozialhistorische Konstruktionen sind, die durch bestimmte Mechanismen zu kollektiven Deutungsmustern generiert worden sind.
In Anlehnung an Bourdieus Theorie über männliche Herrschaft (die Beherrschten wenden vom Standpunkt der Herrschenden konstituierte Kategorien auf die Herrschaftsverhältnisse an und lassen diese damit als natürlich erscheinen) macht die Genderforschung auf die symbolische Dimension der Macht und Herrschaft im Kontext von Geschlecht und Kultur aufmerksam.
Im Hinblick auf diese theoretischen Grundlagen verdeutlicht die Genderforschung, dass die Beherrschten nicht nur durch Recht- und Ressourcenungleichheit, sondern durch die Prozesse sozialer und semantischer Klassifizierung unterminiert werden.
Dies geschieht vor allem durch eine initiierte hegemoniale Semantik, die aus einem komplexen Zusammenhang eines in sich erweiternden Klassifikationsrepertoires resultiert, die dann von unterschiedlichen Akteuren variabel gebraucht und gemanagt werden.
Meist bleibt aus der Perspektive der kategorialen Klassifizierung die unterlegene Gruppe ungleichwertig und die Verwehrung ihres Zugangs zu den Ressourcen normkonform. Ihre Inferiorität wird somit als biologisch, kulturell oder sogar gottgegeben besiegelt.
Die kategoriale Klassifizierung zielt in einem Prozess der rhetorischen und symbolischen Zuschreibungsmaximen konkreter Akteure in ihren sozialstrukturellen Kontexten darauf ab, konkrete Rollenzuschreibung und Handlungen vorzunehmen (als Beispiel die Berichtserstattung der Printmedien über Migrantinnen).
Sie sind arm, sehr schlecht ausgebildet, sind kollektiv unterdrückt und leben äußerst prekär.
Auf der gesellschaftlichen Arena der sozialen Konstruktion vollziehen sich binäre Aussagesysteme einander ausschließender Geschlechterordnung des bekämpfenden und in sich geschlossenen Kulturkreises. - Jene Dichotomie vom Verhältnis der Dominanz und der Unterordnung.
Im Sinne von Bourdieu geht es dann um die Durchsetzung der legitimen Weltsicht und symbolischer Macht: man kämpft hart und phantasievoll um die Symbole.
Die Genderforschung kann nicht gänzlich die traditionellen Machtmuster in traditionellen Diskriminierungsfeldern, wie Familie, Arbeitswelt, Bildung und Rechtsstatus verändern, wohl aber die Grenzen der Machtverhältnisse verschieben.
In der Frauenforschung ging der Weg vom Laienstatus zu Expertinnen in eigener Sache, von Frauenforschung, Gendermainstreaming bis zur Entwicklung von Gender & Diversity und Diversity Managing.
Aus der Perspektive einer Migrantin eignet sich die Fokussierung auf Diversity hervorragend für die grundsätzliche Klärung des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Sie hat die soziale Realität im Fokus und grenzt die Inszenierungen der diversen Lebensformen einer Gesellschaft nicht ab. Sie öffnet die Türen zur Beleuchtung der spezifischen Chancen und Probleme einer Vielfaltgesellschaft.
Die Akzeptanz der gesellschaftlichen Vielfältigkeit geht allerdings mit einer negativen Klassifizierung der Frauen einher.
Oft werden die Migrantinnen als eine homogene unterdrückte und meist ziellose Gruppe betrachtet. Man hat eine Opfer-Identität der Migrantinnen- Konstruktion im Auge.
Im Rahmen meiner eigenen Forschungsarbeit habe ich festgestellt, dass sich die befragten Frauen mit Flüchtlingsstatus nicht als Opfer identifiziert haben, sondern ihre Situation als eine Befreiung aus einer mythologisch archaischen Geschlechterordnung beschrieben. Diese Tatsache wird oft auch in der wissenschaftlichen Diskussion ausgeblendet.
In der momentanen Diskussion über die Migrantinnen beobachte ich, dass die Opfer- oder Gefahr-Identitäts-Konstruktion mehr Raum bekommt als angemessen.
Die Tatsache, dass die Frauen, vor allem aus den islamischen Herkunftsländern, mehr als andere Akteure für die Dynamisierung der Verhältnisse sorgen, wird ausgeblendet und nur ihr Opfersein steht im Mittelpunkt.
Damit werden die Mechanismen der oben erläuterten Ungleichheitslagen durch mangelnde Anerkennung der Bestrebungen der Frauen reproduziert.
Diversity ist eine theoretische Grundlage, die zwei unverbundene und teilweise konträr zueinanderstehende Ebenen bezeichnet.
Die Kritikerinnen des Diversity-Ansatzes vertreten die These, dass die ausschließliche Betrachtung des Diversity-Ansatzes einen Rückschritt gegenüber der bisherigen Frauenforschung bedeutet.
Ihre Hauptkritik besteht in:
- Der Parallelisierung von Gender und Diversity
- Dass die Diversity-Ansätze noch keine großen theoretischen Grundlagen und erkenntnistheoretischen Dimensionen vorweisen können.
„Durch die Annahme des a priori Wissens von Vielfalt besteht die Gefahr der Stereotypisierung und Essentialisierung von Identitätskategorien“. So Dr. Regina Frey vom Frauenbüro in Berlin. Sie vertritt die Auffassung, dass im Diskurs des Managing Diversity noch wenig darüber nachgedacht worden ist, welcher theoretische Subtext in der jeweiligen Praxis transportiert wird. (Gerade der theoretische Subtext ist aber für die alltägliche Praxis ein wesentlicher Bezugspunkt.)
Im Rahmen der interkulturellen Öffnung der Institutionen wird gefordert, dass die Mitarbeiterinnen sich interkulturelle Kompetenz aneignen, die Ausbildungsstätten wie die sozialen Einrichtungen vermehrt MitarbeiterInnen bzw. StudentenInnen mit Migrationshintergrund zulassen.
Der zentrale Bestandteil dieser sehr zu begrüßenden Entscheidung soll die Gestaltung der Öffnung sein.
Und wenn wir die Analyse von Eisenstadt hinsichtlich der wachsenden Konflikte zwischen Kulturen als Basis für unsere Theorie nehmen, dass die Bedeutung der religiösen Komponente für die Neubestimmung der kollektiven Identität in vielen Gegenwartgesellschaften immer größer wird, so bleibt die Frage, wie wir das Verhältnis der Weiblichkeit und Männlichkeit z. B. in der Scharia, das in einer spezifischen Konfiguration symbolischer Ordnung institutionalisiert ist, sozial nutzen sollen?
Diese Ordnung stützt die ausschließlich aus der spezifischen Selbstdefinition als einziger Idealtyp abgeleitete Legitimation der Männlichkeit.
Soll tatsächlich die Geschlechterordnung private Angelegenheit des Mannes innerhalb bestimmter Teilsysteme werden?
Gerade in der Arbeit mit Ausländern, Migrantinnen oder Arbeit mit Flüchtlingen nimmt man allzu oft die konstruierten normativ-religiöse sowie ethnisch-nationale Zugehörigkeit in den Blick und verkürzt somit den Wirkungsradius des eigenen Handelns.
Institutionelle Arbeit ist auf Kultur angewiesen-
diese These wird allgemein akzeptiert und kann als Orientierung auch dienlich sein, aber nach welchen kulturellen Kriterien?
Und wieder stellt sich die Frage, welche Gemeinschaft das Ziel sein soll? Es ist mir klar, dass Geschlechterkritik, die auf konkrete Ungleichheitsverhältnisse aufmerksam macht als lästig und unangenehm wahrgenommen wird. Solche Kritik evoziert Scham und Abwehr.
Die Debatten um die Migration/Integration zeigen Genderblindheiten, auch die Integrationspolitik weist im Hinblick auf Frauen blinde Flecken auf, die verkürzt auf die Rolle der Frau in der Familie beschränkt bleibt.
Die innerfamilialen Machtstrukturen, in denen weiterhin die dominante männliche Ernährerposition gesehen wird, ist die Basis der Migrationspolitik.
Nun, aber in einer Gesellschaft, in der alle zwischenmenschlichen Beziehungen konsensual verrechtlicht sind, sind eigentlich die Rahmenbedingungen schon gestellt.
Die Kunst muss darin bestehen, im Bewusstsein der Kulturellen Vielfältigkeit nicht die Gefahr der Abgrenzung zu verfestigen.
Am Ende möchte ich die Kultur idealerweise als einen Prozess der fortschreitenden Selbstbefreiung des Menschen aus aller Beschwernis definieren.