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#gleichberechtigt

Migration und Arbeitsmarkt

Integration von Migrantinnen kann nur unter dem Gleichheitsprinzip erfolgreich gelingen. Aufsatz der Gleichstellungsbeauftragten Dr. Zohreh Salali.

Zusammenhänge wahrnehmen

Eine Integrationspolitik ohne Teilhabe der Migrierten und derer mit "Migrationshintergrund" am Arbeitsmarkt wird scheitern („Migrationshintergund“ = mit migrierten Eltern oder gar nur Großeltern. Im Weiteren wird für "Migrierte/r" auch das eingebürgerte Synonym "Migrant/in" verwendet). 

Die theoretische Diskussion über Erwerbslosigkeit und Geschlecht ist mittlerweile ein zentrales Thema der Genderforschung. Während auch der Zusammenhang von Migration und Geschlecht seit längerem Interesse findet, stehen die Zusammenhänge von Gender, Alter, Migration und Erwerbslosigkeit kaum im Fokus des öffentlichen Interesses und sind bisher auch in der Wissenschaft - zu Unrecht! - ein Randbereich.

Sozialstatistiken lassen erkennen, dass die Zahl älterer, Sozialleistungen beziehender Migrantinnen stetig steigen wird. Nach meiner Beobachtung zeigt die Arbeitsmarktpolitik leider mangelnde Sehschärfe bezüglich Gender, Migration und Alter sowie deren Zusammenhänge und Zusammenwirken.

Abwertung anstatt Erkennenen von Potenzial

Es existieren keine auf längere Perspektiven ausgerichteten Instrumente, um das durchaus vorhandene oder auch schaffbare Potential der älteren Migrantinnen auf den Arbeitsmarkt einzusetzen.

Bei durchaus beachtlichen Anstrengungen um fundierte Analysen der hintergründigen Ursachen der höheren Erwerbslosenquote der Migrantinnen, mangelt es an einem systematischen Monitoring im Hinblick auf Kapazitäten-Aufdeckung und auf Kapazitäten-Effektivierung für unseren Arbeitsmarkt.

Es bestehen unterschiedliche Programme, die darauf abzielen, Arbeitssuchende "für den Arbeitsmarkt fit zu machen", wie es so schön aussichtsverheißend heißt. Für die Gruppe der älteren Arbeitssuchenden, die schwerer in Arbeit kommen als andere, wurden bundesweit besondere Programme entwickelt, mit denen gleichzeitig neue Impulse für den Arbeitsmarkt insgesamt wie für örtliche Arbeitsmärkte gegeben werden sollen. Manche dieser Programme bedeuten allerdings sogar Dequalifizierung der Heimatqualifikationen von Migrantinnen und Migranten.

Oft bringt man hochqualifizierte Migrantinnen mit wenig qualifizierten Arbeitsuchenden in bestimmten Kursen zusammen. Diese Programme sind für sie weder zielführend noch vermögen sie die vorhandenen Qualifizierungen aufzufrischen.

Vielmehr werden Migratinnen mit dem Hinweis, dass sie in ihren erlernten Berufen keine Chancen haben, dazu motiviert, in Pflege- und Betreuungsberufe einzusteigen, selbst wenn Sie Physikerinnen, Ärztinnen, Ingenieurinnen und so weiter sind.

Folgen, Gründe und Lösungsideen für Arbeitsintegration von Migrantinnen

Konsequenzen daraus sind:

  • Die Verfestigung in traditionellen Arbeitsfeldern
  • Keine Chancen in ihren erlernten oder anderen Berufen
  • Wenig Aufträge und Vermittlungen
  • Manch rassistischer oder sexistischer verbaler Übergriff

Gründe für die schwierigen Bedingungen von Migrantinnen am Arbeitsmarkt:

  • Die Lösungskompetenz der Betroffenen wie der Arbeitsvermittler ist zu gering.
  • Ausländische Abschlüsse in Deutschland werden oft nicht entsprechend wertgeschätzt und zu selten als gleich oder gleichwertig anerkannt.
  • Im Fokus der Arbeitsvermittlung steht weniger die Förderung des Weiterführens des bisherigen Berufes in geänderter Weise als die schnelle "Statistik-Bereinigung".
  • Die Deutschkenntnisse sind beruflich nicht ausreichend und werden nicht vorrangig und zügig verbessert.
  • Viel zu spät wird mit Integrationsmaßnahmen begonnen, allzu lange ist die Integration gar nicht gewollt - etwa während jahrelang andauernder Asylverfahren.
  • Schon die Erstellung auch nur von Bewerbungsmappen ist für Migrantinnen noch schwerer als für aus Deutschland stammende Arbeitslose.
  • Oft werden mit Migranten und insbesondere mit Migrantinnen Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen, deren Inhalte von jenen weder sprachlich noch juristisch verstanden werden.
  • Bei Frauen schlagen manche "Fallmanager" vor, sie könnten ihren Mann mitbringen - oft verhandelt dann gar der Ehemann ohne das Wissen der Frau mit dem "Fallmanager".

In der letzten Zeit fokussiert man intensiver auf dieses Thema. Es ist zu begrüßen und dennoch darf man nicht die Aspekte Gender, Alter und Geschlecht außer Acht lassen, sonst findet eine Integration ohne Gleichheit statt.

Lösungsansätze und Verbesserungsvorschläge:

  • Handlungskonzepte, Strategische Ansätze und praktische Schritte zur Unterstützung und Ressourcenbündelung der älteren divergierten Arbeitsuchenden an die Bedürfnisse anpassen.
  • Migration nicht als Störelement deuten.
  • Harmonisierung der Politik von Bund und Ländern bezüglich Förderprogrammen und Anerkennungen von Qualifikationen.
  • Massive sprachliche Qualifikation.
  • Intensiv-Qualifizierungs-Fallmanagement, nicht Fallverwaltung.
  • Die berufliche Integration muss zentral für die Integration werden.
  • Aufbau eines Informationsnetzes bezüglich Kenntnissen, Möglichkeiten und Zuständigkeiten für Beraterinnen, Arbeitsvermittlerinnen und Unternehmen.
  • Integrierte berufliche Beratungsstellen bei den Ausländer-Behörden.
  • Aufenthaltstitel sollten mit spracherwerbs- und berufsbezogenen Bedingungen und Auflagen versehen werden können, denen dann aber selbstverständlich entsprechende Angebote zur Seite zu stellen wären.
  • Anpassungsqualifizierungen wie die Investition in solche sollten frühzeitig obligatorisch werden.
  • Auch die ehrenamtliche Arbeit älterer Migrantinnen fördern und sichtbar machen.
  • Die älteren Migrantinnen nicht nur als "Kunden", sondern als Beraterinnen und Entwicklerinnen bezüglich der Integration betrachten und ihre Erfahrungen in alltägliche Entscheidungen einbeziehen.

 

 

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