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#gleichberechtigt

Geschlecht, Psyche und Sprache

Aufsatz der Gleichstellungsbeaufragten Dr. Zohreh Salali

Ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt und uns gleichzeitig diversifiziert. 

Wenn wir Bilder ohne Text anschauen, können wir selbst unserer Phantasie freien Lauf lassen und, dabei ohne von mir oder jemand anderem in eine oder andere Richtung gesteuert zu werden, so die Sache interpretieren wie Sie es möchten.

Sage ich einfache Sätze dazu, steuere ich Sie in eine bestimmte Richtung. Selbst, wenn Sie gegen meine Meinung wären, ist dennoch die Diskussionsrichtung vorbestimmt.

Man sagt nicht umsonst, wer die Definitionsmacht hat, der bestimmt die Verhältnisse.

Bitte achten Sie auf ein Kinderlied, das Sie alle als Kind gehört haben und mit Sicherheit für ihre Kinder und Enkelkinder vorsingen.

> und so weiter.

Wer weiß, welch tiefer Sinn und Jahrtausende alter Kultur hinter dieser magischen Fingerformel steckt. Wahrscheinlich befassen sich wenige Leute mit dem Sinn und historischer Bedeutung dieses Liedes.

Ein anderes Beispiel sind die Wahlkampf-Metaphern, die wir vor allem aus USA kennen.

Die Demokraten in den Vereinigten Staaten beklagen sich immer wieder, dass die Demokraten immer wieder mit Zahlen und Fakten arbeiten und bemüht sind, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, aber die Republikaner einfach auf die Macht der Metaphern setzen.

Wir erinnern uns an den Satz von Herrn George W. Bush <>.

Welche Wirkung dieses Satzes auf die Internationalen Verhältnisse hatte und wie Millionen Menschen kollektiv für Böse erklärt wurde. Und wie schnell die Legitimation zum Angriff damit verbunden war und welche Konsequenzen diese Metapher für das Leben von Millionen Menschen mit sich brachte.

Diese Wirkkraft hat die Berater um Barack Obama dazu motiviert, sich etwas Geniales und Einmaliges einfallen zu lassen. Etwas, das zugleich sehr einfach scheint und damit Millionen Menschen - vor allem die in den USA, die sich aus den Machtverhältnissen ausgeschlossen fühlten -, sich damit identifizieren könnten und die auch in der Welt außerhalb der USA verstanden wurde. Jeder und jede hat nach eigener Phantasie den Satz interpretiert: „Yes we can!“

Und damit haben sie in der Welt Geschichte gemacht - zum ersten Mal wird ein Afroamerikaner US- Präsident!

Mit diesen zwei Ihnen allen bekannten Beispielen möchte ich die Macht des Wortes ins Gedächtnis rufen.

Warum? Weil es viele Forschungen und Diskussionen über die Sprache und Denken und ihre wechselseitige Einflüsse auf die Kultur gibt, die an sich ein eigenständiges kompliziertes und komplexes Thema ist.

Was beeinflusst was? Die Sprache das Denken oder umgekehrt?

Ich darf Sie kurz mit mir in die Geschichte der menschlichen Entwicklung mitnehmen. Keine Angst, ich möchte nicht die ganzen zwei Millionen Jahre hier vortragen.

Der erste Vorfahre, den wir würdig finden und als unseren Vorfahren akzeptieren können, ist etwa 2,5 Millionen Jahre alt, also Homo Habiles.

Soweit wir es wissen, war er in der Lage, einfache Werkzeuge aus Stein zu erzeugen und auf zwei Beine zu gehen und besaß einen großen Kopf und hat gewisse Ähnlichkeit mit großen Affen unserer Zeit.

Es folgte dann der Homo erectus. Und da begann eine menschliche Entwicklung, die bis heute nicht aufhört. Das entscheidende beim Homo erectus war die Neugierde, die Welt eruieren zu wollen, zu wandern und die Welt zu besiedeln.

Die erste Wanderung und die Eroberung der Welt haben zwei Millionen Jahre gedauert.

Homo erectus ist größer als seine Vorgänger, aber erst der Homo sapiens, wozu auch wir gehören, bekommt das Kopf- und Körper-Volumen, das auch den modernen Menschen auszeichnet.

Am Anfang hatte auch Homo sapiens affenhafte Merkmale.

Und es war ein langer, evolutionärer Weg bis sich der moderne Mensch genetisch so weit entwickeln konnte.

Unsere neusten Informationen stellen die alten in Frage. Unsere alten Erkenntnisse basierten mehr oder weniger nur auf archäologischen Funden oder historischen Überlieferungen. Durch interdisziplinäre Forschungen und Computer-Tomographie ist die Wissenschaft in der Lage, noch tiefer greifende Erkenntnisse zu gewinnen.

Erst nach genetischen Untersuchungen aus den Schädeln, die gefunden wurden, geht man davon aus, der moderne Mensch, der so wie wir ist, etwa hunderttausend Jahre alt ist.

Es hat einige hunderttausend Jahre gedauert, bis unser Gehirn sich zu seiner heutigen Funktion, Form und Größe entwickelt hat. Sie sehen, wie langsam die Evolution ist.

Wenn wir es mit Computern vergleichen würden, könnte man sagen: die Hardware-Entwicklung ist abgeschlossen und jetzt musste die Software sich ändern und mit Informationen programmiert werden.

Jetzt kommen wir auf das entscheidende Merkmal, welches uns von unseren nächsten Nachbarn in der Evolution vollkommen unterscheidet.

Und das ist eine sehr mannigfaltige und differenzierte Sprache, die uns ermöglicht, miteinander zu kommunizieren, Erfahrungen auszutauschen und die erworbenen Erkenntnisse auf andere und besonderes auf die nächste Generation zu übertragen.

Das Wissen über gesunde oder giftige Nahrungsmittel, wie man Feuer macht oder wie man primitives Handwerk baut, wie man Tag und Nacht unterscheidet, oder warum das Wasser fließt- alles was für uns keinerlei Bedeutung mehr hat und so selbstverständlich scheint, musste über Jahrtausende beobachtet, gespeichert und tradiert werden.

Es gibt durchaus nicht-verbale Kommunikationen wie Gestik, Mimik, Verhalten. Aber es stellt sich immer die Frage, ob man dadurch die Kommunikation richtig versteht.

Solche sprachlose Kommunikationsarten sind situationsspezifisch und nicht  lernbar, weil sie bei Menschen unterschiedlicher Kulturen unterschiedlich interpretiert werden. Vor allem der Austausch der Informationen ist nicht so schnell möglich und verursacht oft Irritationen. Es findet nur ein sehr ursprünglicher, im Sinne von unverfälschter, Austausch von Information statt, auf den genauso wieder körperlich reagiert wird. Lediglich die bewusste Verarbeitung dieser Ebene ist häufig nicht gegeben. – Anm. ekp)

Der große Unterschied liegt darin, dass unsere entfernten Verwandten nicht fähig sind, Zunge, Rachen und Kehlkopf zur Erzeugung von mit uns vergleichbaren Lauten zu benutzen.

Das heißt, ihnen steht das Wort nicht zur Verfügung.

Durch die Sprache bezeichnen wir die Dinge, geben Zeichen und Symbole für unsere Umwelt. Wir konstruieren Sprachen durch das Variieren der Laute. Wir haben Syntax und Grammatik erfunden und komplexe Sprachen mit tausenden Wörtern, die wir kontinuierlich variieren und erweitern, sie mit vielen Symbolen und Zeichen anreichern.

Es wird oft missverständlich angenommen, dass die Schrift den entscheidenden Schritt zu der modernen Entwicklung herbeigeführt hat. Sie hat den Austausch und die Übertragungen der erworbenen Erfahrungen beschleunigt.

Zuvor sind Erfahrungen jedoch über Jahrtausende mündlich von einer Generation auf die nächste Generation übertragen worden. Selbst in unserer Zeit geht die Hauptkommunikation über die Sprache. Schrift steigert die Kontrollierbarkeit der mündlich ausgetauschten Erfahrungen.

Auf jeden Fall ist die Sprache in ihrer klaren akustischen und variablen Nutzung eine historische Sonderkonstruktion der Evolution.

Wir haben zurzeit fünftausend Sprachen auf dieser Erde. Wir sprechen nicht gleichzeitig alle diese Sprachen, aber interessant ist hier und bitte beachten Sie dies genau, alle Sprachen haben die gleiche Leistungsfähigkeit. Also, es gibt keine primitive Sprache, es gibt keine weibliche oder männliche Sprache. Es gibt keine leichte Sprache oder schwere Sprache. Es gibt nur historisch bedingte Unterscheidungen der Laute.

Jeder Mensch mit normalen geistigen Fähigkeiten kann sich jede Sprache perfekt aneignen.

Es ist aber auch interessant zu wissen, dass Kinder, wenn sie bis zum fünften Lebensjahr keine Mutter-Sprache gelernt haben, nicht mehr redefähig, wie wir es von Muttersprachler_innen erwarten sind. Sie können dann zwar noch das Sprechen bzw. Sprachen erlernen, aber nicht mehr so fehlerfrei.

Das gilt erstaunlicherweise nur für die Muttersprache und hat evolutionäre Gründe, die hier nicht ausführlich besprochen werden können.

Alle anderen Sprachen kann man in jedem Alter lernen. Nicht wie die Muttersprache, aber sie sind lernbar.

Es wird nach der Pubertät aber schwierig, Laute, die in der eigenen Muttersprache nicht vorhanden sind, zu erlernen und das hat auch wiederum evolutionäre Gründe. Schutz der eigenen Population ist hier das entscheidende Schlagwort.

Das hat höchstwahrscheinlich damit zu tun, dass alle menschlichen Sprachen zwischen siebzig- und hunderttausend Jahre gebraucht haben, um auf dieses Entwicklungsniveau zu kommen wie die Sprachen unserer Zeit. Und diese Entwicklung fand gleichzeitig statt.

Ich spreche hier nicht von lokalen und regionalen Differenzierungen, von Sprachen und Dialekten, sondern von der Basis der menschlichen Sprachen. Die Entwicklung der Sprachstruktur, Syntax, Grammatik. Wir kennen keine Sprache, die diese drei Eigenschaften nicht besitzt.

Was hat die menschlichen Sprachen voneinander getrennt und wie ist es dazu gekommen, dass wir auf der Welt nur 6 Sprachfamilien haben und es dennoch so schwierig ist, andere Sprachen nachzuvollziehen, geschweige denn,  sie zu beherrschen.

Ich möchte wieder in die Geschichte zurückschauen, aber nicht bei Adam und Eva beginnen. In einem Satz:

Die völlige Veränderung der Sprachen kommt oft durch politischen oder religiösen Druck zustande.

Die Interaktion zwischen den Eroberten und den Eroberern ist auch sehr unterschiedlich.

Resümierend möchte ich hier sagen, dass nach dem genetischen Stammbau zu urteilen, also nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen,  der Großteil der Sprachfamilien seit sechs- bis fünfundzwanzigtausend Jahren existieren.

Und zweitens sind alle Menschen gleich lernfähig. Kultur, bedeutet die Fähigkeit, Erfahrungen auszutauschen. Die Kultur ist Kommunikation deren Tempo und Präzision auch auf die genetische Entwicklung enormen Einfluss hat.

Schauen Sie mal, allein unsere Informationen über nützliche und nicht nützliche Pflanzen. Oder unser Wissen über Feuer, wie es Einfluss auf die Entwicklung unseres Gehirns hat. Dadurch kann unser Körper besser Proteine aufnehmen und damit ist unser Gehirn leistungsfähiger als alle anderen Tiere.

Das heißt, die Kultur ähnelt dem genetischen Erbe darin, dass die Informationen von einer Generation auf die nächste übermittelt wird.

Die wichtigsten Funktionen im Leben, von denen unsere Arterhaltung abhängig ist, sind die Triebe, die nicht nur bei Tieren, sondern auch bei unseren Vorfahren Existenz bestimmend waren. Triebe sind nach wie vor bei modernen Menschen genauso aktuell und Existenz bestimmend, wie vor Jahrmillionen. Wir haben im Laufe der Zivilisation gelernt, sie immer mehr zu kontrollieren und Normen, Werte und Konventionen stagnieren sogar.

Betrachten Sie den Begriff Ehebruch - welche enormen Einflüsse diese Konvention auf das Leben der Menschen über Jahrtausende hatte und wie schwierig es ist, sich von der Vorstellung über Ehebruch zu befreien.

Oder die Ehe, die eigentlich über Jahrtausende dazu diente, dass die Ehe zu einem Vertrag zur Befriedung verschiedener Bedürfnisse gedacht war, als Sakrament  "Mysterien" gehuldigt wird.

Sie sind aber mittlerweile kulturell steuerbar geworden. Von der Art und Weise, wie wir essen, schlafen, Kinder erzeugen, bis zum Arbeitsethos und so weiter, alles Konventionen und Konstruktionen, die Menschen sich ausgedacht haben, um die Triebe zu steuern und beherrschen.

Wir verspeisen zum Beispiel unsere Eltern nach dem Tod nicht mehr, was in der menschlichen Geschichte sehr verbreitet war, weil die Seele der Eltern in uns weiterleben sollte.

Durch die Normen und Werte, Gebote und Verbote, die die Menschen sich ausgedacht haben, nimmt die Unterscheidungssemantik damit ihren Lauf. Vor allem zwischen privatem Bereich und der Gesellschaft und damit auch zwischen dem Politischen und dem Individuum.

Alle menschlichen Kulturen haben Traditionen, die aus Teilen besteht, die das Ganze regelt. Die Erfahrung der Staatsbildung suggeriert die erste große Unterscheidung. Es hat einige Jahrtausende gedauert, bis wir einen Dachbegriff für die Einheit von Haushalt und politischem Gebilde gefunden haben.

Zivile Gesellschaft - Oder besser gesagt politische Gesellschaft. Es entsteht eine neue Kultur, eine neue Wahrnehmung und damit neue Begriffe, die teilweise sehr fremdartig gebraucht werden, die weiterhin über zwei Wege übertragen werden.

Ein Mal vertikale und horizontale Übertragung.

Aber in der modernen zivilen Gesellschaft funktioniert die Übertragung sehr viel komplexer und schneller.

Es ist auch wichtig, zwischen beiden Hypothesen zu unterscheiden.

Während das erste Übertragen zwischen Eltern und Kindern stattfindet und ganz langsam ist, ist horizontale Übertragung zwischen Nichtverwandten schnell, also wie ein Epidemie- Krankheit.

Nehmen Sie Beispiele aus den modernen Kommunikationsmitteln. Wie durch Zeitung oder Fernsehen gestaltete Begriffe und Redewendungen, z.B. „wer betrügt, der fliegt“. Wie eine Epidemie erfasst von Millionen Menschen. Mal als Abwehr, mal völlig ohne Grund. Auf jeden Fall hat die Epidemie uns alle erreicht.

Mir geht es darum, hier festzustellen, wie die Sprache unsere Befähigung zum Denken und Handeln bestimmt und uns in die eine oder andere Richtung führt.

Modern sagen wir auch die Macht des Wortes.

Damit meine ich die angeblich natürlichen, also biologischen Unterschiede zwischen Frauensprachen und Männersprachen, die ein echter Klassiker sind. Es gibt verschiedene psychologische Theorieansätze, die bemüht sind, auch zu erklären, warum Frauen angeblich mehr reden, warum Männer nicht zuhören, warum die Männer sich für Technik interessieren, warum die Frau in Fürsorgeberufe tätig sind.

Die bekannteste biologistische Theorie, die hartnäckig nach wie vor eingesetzt wird, ist die Rivalität- Theorie:

Während die Jungen sich zur Mutter hingezogen fühlen betrachten sie den Vater als Rivalen. Zu diesem biologischen Merkmal kommen auch andere Einflüsse wie Kultur, Umwelt und soziologische Einflüsse hinzu - Vater-Sohn Rivalität.

Sie sollen evolutionär die Aufgabenteilung der Geschlechter manifestieren.

Unabhängig davon, welche von diesen Theorien wir als Grundlage für die Analyse der Sprachentwicklung nehmen, Geschlecht gilt bei allen als eine wichtige Kategorie, wenn nicht als die Wichtigste.

Geschlecht ist aber auch  in allen Kulturen ein wichtiger Faktor der sozialen Differenzierung. Man verbindet mit ihm eine Vielzahl von Rollen, Erwartungen und Vorschriften.

Ich möchte hier damit auf eine interessante Gemeinsamkeit der Geschlechterwahrnehmung in allen Kulturen hinweisen.

Frauen wollen in verbaler Kommunikation in erster Linie Symmetrie erzeugen. Sie wollen auf Metaebene klarstellen, wir sind gleich, wir sind uns nah. Also sind sie auf Beziehung orientiert.

Die verbalen Austausche von Intimitäten sind für Frauen - unabhängig von der kulturellen Zugehörigkeit - wichtig, aber es hängt vom Gesprächspartner ab, ob es positiv erlebt wird. Verbale Intimitätsaustausch ist die Grundlage der Kommunikation der Frauen, während die Männer mit einem Gespräch ihren Status auszuhandeln versuchen. Sie entziehen sich, soweit wie möglich, in Kommunikationssituationen, wenn sie unterlegen sind.

Sie gehen von A-Symmetrie aus. Sie wollen schon vom Anfang an wissen, wer besitzt mehr Information und Ressourcen, wer übernimmt Führungspositionen, wer dominiert wen. Die Kommunikation ist auf der Metaebene darauf gepolt zu klären, wie ist unser Verhältnis.

Der Unterschied beginnt schon im Gebrauch der Worte. Männer formulieren ihre Wünsche oft als Forderungen, wodurch die Frauen sich verletzt fühlen, Frauen als Bitte, was die Männer als Aufforderung verstehen, für sie zu entscheiden. Und so weiter.

Gefühle austauschen, um Beziehungen zu festigen, da sie früh lernen, Gefühle austauschen festigt die Bindungen. Männer haben keine Ausdrücke zum Gefühlsaustausch beigebracht bekommen. Eine Entwicklung, die an Intensität zugelegt hat, seit sich das Patriarchat immer mehr Bereiche der Gesellschaft zu Eigen macht.

Hat das alles mit Geschlecht zu tun? Viele meinen, biologisch war es notwendig und man bemüht sich, auch scheinwissenschaftliche Argumente aufzuzählen.

Prof. Luigi Luca Cavall-Sforza, hat in seinem Buch die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation, Gene, Völker und Sprache veröffentlicht, denen seine dreißigjährige Erfahrung auf dem Gebiet zu Grunde liegt.

Es ist ein sehr empfehlenswertes Buch.

Er stellte fest, dass die wichtigsten Daten des modernen Menschen älter sind als jene, die man mittels der Radiokarbonmethode feststellen kann, deren Grenze, wie gesagt, bei vierzigtausend Jahren liegen.

Fakt ist es, dass unsere Informationen zurzeit hauptsächlich aus der Zeit der entwickelten agrarischen Gesellschaften stammen, deren Wirtschaft in bestimmten Bereichen einen bedeutenden Überschuss produzieren konnte und damit auch eine klare hierarchische Ordnung einher ging.

Unsere Informationen basieren hauptsächlich auf archäologischen Funden und damit sind unsere Erkenntnisse über die Entwicklungen beschränkt auf die Zeit, in denen die modernen Menschen schon in klaren sozialen Ordnungen gelebt haben und soweit wir wissen, war die hierarchische Ordnung der Agrar- Gesellschaften patriarchalisch dominiert.

Der Rechtsstatus der Frauen, der durch den Rechtsstaus der Göttinnen auf die Frauen übertragen war (Charisma-Wandeln), welches in früheren Zeiten sehr geläufig war, wurde kontinuierlich und manchmal mit blutigsten Methoden zurückgedrängt und nach und nach dem männlichen Interesse entsprechende Ordnungen postuliert.

Nehmen wir einige einfache Beispiele aus den für Christen Heiligen Schriften.

Für den heiligen Augustin war die Ehe schlicht und einfach eine Sünde - Ehe ist eine Verdorbenheit, ein befleckter und schändlicher Lebensweg - deshalb konnten bei den syrischen Kirchen  nur unverheiratete Männer Christ werden.

Die persischen Religionen folgten dem brahmanischen Vorbild, dass menstruierende Frauen wie Gift vermieden werden müssten.

Die persische Religion nahm den allgemeinen Volksglauben auf, dass das erste Einsetzens der Menstruation durch die Paarung mit einer Schlange verursacht sein müsse. Völker, die von Vaterschaft nichts wussten, nahmen an, dieselbe Schlange mache jede Frau fruchtbar und helfe ihr, Kinder zu bekommen.

Mit diesen drei Sätzen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, welchen langwierigen und hartnäckigen Wirkungen solche einfachen, für uns eher amüsanten Sätze auf die Wahrnehmung der menschlichen Geschichte haben. Und aktuell werden solche Sätze gebraucht, um die eigene Überlegenheit in der Geschlechter Asymmetrie zu begründen.

Es ist eine Entwicklung, die gerade zehn bis siebentausend Jahre alt ist, aber entscheidend ist, dass in dieser Zeit die menschliche Zivilisation an Geschwindigkeit gewonnen hat und dies den Eindruck erweckt, dass die männliche Dominanz die Basis dieser Zivilisation ist.

Aus den Forschungen über Rassismus wissen wir, dass Völker sich in der Zeit hochmütig zeigen, wenn sie sich stark und erfolgreich fühlen. Das Gefühl der Überlegenheit entsteht automatisch, nach dem Motto, der Erfolg hat bestimmte Ursachen. Dies trifft In der Rassismus-Debatte genauso zu, wie bei den Geschlechterverhält­nissen.

Die gewaltsame Dominanz des Patriarchats wird durch die Biologie begründet.

Wir wissen auch aus der Konfliktforschung, dass der Aufstieg in die Machtposition immer mit dem Einsatz der Gewalt einhergeht, und das muss nicht immer die physische Gewalt sein, dennoch, wissen wir auch aus der Geschichtsforschung, dass die Kolonialisierung, welcher Art auch immer, oft mit brutaler Gewalt stattgefunden hat und weiter stattfindet.

Die Wirkung solcher Kolonialisierung kann sehr sehr lange andauern.

Schauen Sie mal, wie nach der Eroberung Chinas durch die Mongolen die chinesische Kultur um Jahrtausende zurückgeworfen war und die Entwicklung vor zehntausend Jahren erst wieder in der China-Gesellschaft Einklang findet.

Um Ihnen meine These besser verständlich zu machen, möchte ich auf eine relativ junge Entwicklung in der Europäischen Geschichte hinweisen.

Parallel zum Rationalismus der Aufklärung war das Interesse an vergangen Kulturen gewachsen.

Man liest über alte Kulturen und schaut sich Kunst und Literatur anderer Kulturen an und wenn man es sich finanziell leisten konnte, reiste man gern in andere Länder, nach der Suche der Spuren der alten Kulturen.

Ab 1800 war der Orient vollends zum Objekt einer romantischen Sehnsucht geworden, als Fluchtort für Europäer, die müde von der Strenge der katholischen Kirsche waren. Man verachtete die Konventionen in Europa und phantasierte über ein großzügiges Leben der Orientalen. Harem-Märchen und Harem-Bilder zogen in Massen in die Kultur- und Kunst-Szene ein. Man phantasierte unglaublich gern.

Vor allem über die Sexualität und die Geschlechterverhältnisse. Schauen Sie sich mal die Bilder an, wie die Frauen im Orient alle nackt, verrucht und bekifft und vor allem willig dargestellt werden. Es gab selten direkte Kontakte, dennoch hat man unglaubliche Geschichten und Märchen zugemutet. Lesen sie die Karl May Geschichten, er hat nie den Orient gesehen, aber sich kitschige Geschichten ausgedacht, die selbst in unserer Zeit nach wie vor als Tatsachen unsere Kommunikationen bestimmen.

Selbst diejenigen, die den Orient bereist haben, haben ihre Bilder mit Hilfe europäischer Modelle gemalt.

Viele Orientalisten waren davon überzeugt, dass das Leben und die Sitten in der scheinbar zeitlosen orientalischen Welt unverändert geblieben waren. Sie haben auch biblische Geschichten imaginiert gemalt.

Diese Form des Wahrnehmens hat nicht nur die Einstellung und Wahrnehmung der Europäer gegenüber dem Orient grundsätzlich beeinflusst, sondern auch die Ethnisierung der Sprache und wiederum der gesamten Kommunikation.

Edward Seid hat zu recht auf die Relevanz des dem Kolonialismus zugrunde liegenden Orientalismus als Denkstil hingewiesen. Der Orient bot sich als Fiktionsfläsche westlicher Vorstellungen des Anderen dar.

Empfindungen und Emotionen der Orientalen sind angeblich anders. Die Geschlechterkonflikte im Orient werden wieder mit Phantasien und Vermutungen und Dichtungen erklärt, die oft jeglicher Realität entbehren.

Diese Exotisierung der Frauen im Orient zieht sich bis zur heutigen Wahrnehmung, die wir medial übertragen erleben.

Ich habe diese Beispiele genannt, um zu zeigen, wie man mit einfacher Stigmatisierung, die Wahl der Wahrnehmung des Objektes in diesem Fall, den Orient, selektiv festlegen kann.

Und damit ist auch eine radikale Veränderung durch das Eindringen in Märchen, Sprache, Wissenschaft hervorgerufen. Und das allein durch die Exotisierung.

Treffend hat Friedrich Brie im 19. Jahrhundert in seinem Buch >> Exotismus der Sinne<< den Orient als Traumwelt  des Rausches und ekstatischer Vision beschrieben. Also nichts Reales, nichts Erfassbares, sondern Rausch und Ekstase.

Die Vorstellungskräfte spielten eine große Rolle und die Tatsachen und Realitäten waren weniger wichtig. Schauen Sie mal sich die Bilder aus dieser Zeit an. Frauen sind immer im Harem, nackt, leicht berauscht und bereit und vor allem verrucht.

Wir kennen auch aus ethnologischen Forschungen, dass ganz allgemein jedes Volk gute Gründe finden kann, um sich höher zu bewerten als andere Völker. Mal sind es Kunst, Archäologie, Technik, Eroberungen und mal bloß die Äußerlichkeiten.

Im Falle der Sprachentwicklung über die Frau, ihre Biologie, ihre Psyche, ihre soziale Existenz und so weiter, hat sich auch ein bestimmtes Stigma durch alle Normen, Regeln, Bilder, Wissenschaft, Märchen gezogen.

Die angenommene Urteilsschwäche von Frauen, ja ganz allgemein, die Schwäche ihres Geschlechtes, hat ihre kanonisierte Form höchstwahrscheinlich in der griechischen Philosophie. Vor allem in der rhetorischen Literatur seit Cicero. 

Hier ist kein Rahmen für die Vertiefung historischer Hintergründe der Verachtung der Frau durch männlichen Intellekt.

Die großen Unterschiede zwischen den Menschen, die unsere Vorfahren am meisten frappierten, waren augenscheinliche Verschiedenheiten, wie Größe, Hautfarbe und vor allem Geschlecht.

Ohne, dass ich hier auf Details eingehen kann, haben unsere Vorfahren die Chancen gehabt, sich an die eigne Gruppe, den eigenen Stamm anzupassen, um einfach zu überleben.

Geschlecht und Körpergröße waren und sind Merkmale, die auch innerhalb eigener Gruppe klare Unterscheidungen augenscheinlich machen.

In allen Kulturen gilt das Geschlecht als wichtigste Kategorie für soziale Differenzierung. Mit ihm verbindet man eine Vielzahl geschlechtsbezogener Erwartungen und Vorschriften. Auch in der Sache der Emotionen.

Die Philosophin Judith Butler beschäftigt sich in der Diskurstheorie mit dem Verhältnis von Subjekt, Körper und Macht.

Die freudscher Anamnese über weibliche Psychologie, die nur auf ihre biologische Disposition begründet ist, stellt sie in Frage und debattiert über alternative Geschlechteridentifikationen

Man kann ihre Dekonstruktionstheorie  kritisch betrachten, weil sie das Geschlecht als vollkommen unwichtig erachtet.

Fakt ist aber, weil wir nicht wissen, ob die Unterschiede, die wir in der Moderne immer wieder feststellen, tatsächlich rein biologisch oder gesellschafts-politisch bedingt sind.

Wenn man eine von diesen Aspekten als Hauptursache der Geschlechterwahrnehmung annimmt, zeigen die neuen neurobiologischen Untersuchungen, dass langfristig beide Aspekte aufeinander Wirkung haben.

Von daher, wenn wir von Frauen-Psychologie, andere Kulturen-Psychologie reden, dürfen wir nicht so klare Grenzen ziehen.

Frau Dr. Homayounpour setzt sich in ihrem Interview auseinander mit den Freudschen Analysemöglichkeiten im Iran und beschreibt auch die Probleme, die Psycho-Analytikerinnen im Iran haben, nämlich, dass keine Institutionen im Iran existieren, die systematisch nach freudscher Art arbeiten können, aber zugleich macht sie auf einen Aspekt der kulturellen Eigenheiten der Iraner aufmerksam.

Nämlich, dass die Iraner, Zitat „reden und reden, man kann sie oft gar nicht unterbrechen, Erzählen und Zuhören hat eine lange Tradition, damit verbunden sie auch die Möglichkeiten der Heilung“.

Interessant ist in diesem Interview, dass sie nicht von Frauen und Männern getrennt redet, sondern von den Iranern, was ich aus meinen persönlichen Erfahrungen und Studien der iranischen Kultur und Gesellschaft bestätigen kann.

Männer reden im Iran sehr gern und ausführlich über ihre Gefühle und haben auch keine Scheu ihren Emotionen in der Öffentlichkeit frei laufen zu lassen, trotz ihrer Macho-Kultur.

Sie geht auf einen anderen Aspekt ein, den ich für sehr wichtig halte, Zitat „Kultur und sprachliche Unterschiede sind natürlich wichtig. Aber ich denke, dass es zwischen Menschen sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.

Die Psychoanalyse beschäftigt sich mit menschlichen Universalien. Überall auf der Welt sind die Probleme von Teenagern ähnlich, das betrifft auch das Leid gebrochener Herzen.“ Zitat zu Ende.

Damit komme ich zum Schluss wieder auf meine These zurück, dass wir uns am Anfang der Forschung über die Entwicklung des modernen Menschen und damit auch der modernen Zivilisation befinden.

Bis zum Homo sapiens, dessen Wachstum den Schädeldimensionen nach zu urteilen, etwa nach dreihunderttausend Jahren zum Stillstand kann, hat das menschliche Gehirn ständig an Größe zugenommen.

Unsere Hardware ist komplex entwickelt, was sich später unter Homo sapiens zu einem besonderen Spezies gemacht hat, ist die Fähigkeit unserer Zunge, Rachen und Kehlkopf zur Erzeugung der Worte. Als Symbole und Zeichen der Dinge zu verwenden und sie wiederzuerkennen.

Die Wiedererkennung ist Basis der Entwicklung des modernen Menschen und damit die Übertragung der Erfahrungen auf die nächste Generation. Und das passiert bei allen Homo sapiens überall auf der Erde gleich. Also es gibt keine primitive Sprachen, es gibt keine biologisch bedingte Geschlechtersprache.

Alle modernen Menschen benutzen sehr komplexe Sprachen mit Tausenden Wörtern, deren Grammatik und Syntax gleich komplizierter Begriffe ausdrücken können. In manchen Sprachen, die nicht ganz geläufig sind in unserer Zeit, sogar viel exakter und besser.

Die wichtigsten Daten über die modernen Menschen sind unglücklicherweise älter als die moderne Wissenschaft mittels der Radiokarbonmethode feststellen kann. Deshalb sind die Behauptungen, dass die Geschlechter oder Menschen verschiedener Kulturen, Begriffe unterschiedlich verstehen und andere Kommunikation benötigen, wissenschaftlich nicht haltbar. Fakt ist, dass in der Menschheitsgeschichte Völker und Geschlechter versuchen, Gründe für ihre eigene Überlegenheit zu suchen.

Und so wie ich vorhin auch gesagt habe, Merkmale, wie Körpergröße, Hautfarbe, Geschlecht sind augenscheinlich und benötigen kein tiefgreifendes Wissen über sich und Andere.

Diese Kategorisierung der Menschheit in Rasse, Geschlecht, Ethnie und so weiter, die uns hartnäckig in den letzten zwei Jahrhunderten begleiten, verdanken wir dem europäischen Rationalismus, der gepaart war mit Kolonialismus.

Die moderne Wissenschaft befreit sich immer mehr davon, auch die Psychologie.

Eines soll man aber nicht vergessen

  • Die Erde ist ein Wunder.

  • Das Leben ist ein Mysterium.

  • Und die Sprach eine geniale Laune der Natur.
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