Ein Tag im Jahr gegen Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern reicht nicht aus
Die naturwissenschaftlich/technischen Schnuppertage für Mädchen am 27. und 28. Oktober in Würzburg sind ein richtiger und unterstützenswerter Schritt für ein besseres Einkommen für Frauen. Dennoch fehlt hier bislang eine grundsätzliche strukturelle Lösung.
Dr. Stefan Bach, habilitiert an der Universität Potsdam, tätig als Privatdozent an der Universität Potsdam und seit 2010 stellvertretender Leiter der Abteilung „Staat“ beim deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen im Jahr 2007 in der Gesamtheit untersucht (neuere Daten haben wir nicht). Das Ergebnis seiner Untersuchung ist bemerkenswert.
Schon nach den OECD-Berechnungen steht Deutschland im Vergleich mit anderen OECD-Ländern ausgesprochen schlecht da. Nach der Auswertung der ökonomischen Daten kommt der OECD zu dem Ergebnis, dass Deutschland den drittgrößten Gender Pay Gap nach Japan und Korea aufweist. Zwar gibt es seit 2010 nach den Statistiken des statistischen Bundesamtes leichte Verbesserung in der Gesamtheit des Lohngefälles - damit ist das Lohngefälle von 26% auf 22% durchschnittlich reduziert. Das liegt aber daran, dass wir in Westdeutschland im Durchschnitt einen Gender Pay Gap von 29% im Stundenlohn haben, während der Gender Pay Gap in Ostdeutschland nur 6% des Stundenlohns ausmacht. Das liegt zum großen Teil daran, dass die ostdeutschen Frauen weniger stereotype Berufswege verfolgten.
„Wenn wir uns die Monatslöhne anschauen, finden wir einen mittleren Einkommensunterschied des Bruttolohns von 62 Prozent in Westdeutschland. Dieser sogenannte Gender Pay Gap ist in Ostdeutschland deutlich geringer und liegt dort bei etwa 22 Prozent. Bei den niedrigen Einkommensbereichen sind die Gesamtunterschiede sowohl in West- als auch in Ostdeutschland deutlich stärker ausgeprägt als in höheren Einkommensbereichen. Wenn wir die Stundenlöhne betrachten, finden wir im Durchschnitt einen Gender Pay Gap von 29 Prozent in Westdeutschland und sechs Prozent in Ostdeutschland. Die Größe des Unterschieds der Lücke, die auf Basis der Monatslöhne berechnet wurde und der Lücke, die auf Basis der Stundenlöhne berechnet wurde, sind auf unterschiedliche Arbeitszeiten von Frauen und Männern zurückzuführen.“ (Dr. Stefan Bach)
Das liegt zum großen Teil daran, wie der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Bauer, vom rheinisch-westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, kritisiert, dass in den Branchen, in denen überwiegend Frauen tätig sind, schlechtere Löhne gezahlt werden. Zugleich macht er auch deutlich, dass selbst nach der bereinigten Lohndifferenz – vergleicht man also Chefärztin mit Chefarzt – der Unterschied immer noch durchschnittlich 1466 Euro im Monat beträgt.
Den Untersuchungen von Dr. Stefan Bach ist auch zu entnehmen, dass in den Lohngruppen zwischen 10.000 und 15.000 Euro brutto Jahreseinkommen beispielweise 1,8 Mio. Männer, aber 2,7 Mio. Frauen beschäftigt sind, in der Gehaltsgruppe von 200.000 bis 500.000 Euro hingegen 188.000 Männer und nur 29.000 Frauen tätig sind. Die beiden Ökonomen, die unterschiedlichen ökonomischen Schulen angehören, kommen zu fast der gleichen Analyse, dass diese Unterschiede im Einkommen zu einem Teil durch die Ausbildung von weiblichen Berufen mit dem Schwerpunkt in Erziehung und Pflege zu erklären sind, die chronisch systematisch geringer entlohnt werden. Für den bestehenden Gap allerdings kann es auch nach Meinung der beiden renommierten Ökonomen keine realen Gründe geben. Es bleibt unerklärlich, warum der Gender Gap weiter zu Ungunsten der Frauen stagniert, obschon die Frauen immer häufiger eine bessere Ausbildung haben, kürzere Elternzeiten in Anspruch nehmen und leistungsfähiger sind.
„Diese unerklärte Lücke könnte auf Diskriminierung zurück zu führen sein und wächst mit steigendem Einkommen. Das bedeutet, dass es noch immer Frauen gibt, die für ihre Arbeit geringer entlohnt werden als Männer.“ (Dr. Stefan Bach)
„Es sind nämlich noch immer mehr Frauen als Männer in Berufen tätig, die im Vergleich schlechter bezahlt sind. In Kindergärten zum Beispiel statt in der Metallverarbeitung. Durch Erziehungszeiten steigen Frauen außerdem langsamer in höhere Gehaltsklassen oder Spitzenpositionen auf. Und auch auf Teilzeitstellen arbeiten überwiegend Frauen.
Das Problem sei weniger, dass Frauen und Männer für den gleichen Job ungleich bezahlt werden, sondern eher, dass Frauen im Zweifel die Stelle erst gar nicht bekommen. Aus verschiedenen Gründen, die von ungleichen Bildungschancen bis zur unzureichenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einem noch immer sehr traditionell geprägten Rollenbild reichen“ (Thomas Bauer)
Frauen tragen in der Summe auch eine größere steuerliche Belastung bei geringerem Einkommen. Durch das Ehegattensplitting vergrößert sich dieser Effekt. Nach wie vor ist in der Gesellschaft die Tendenz vertreten, Frauen nicht als Haupternährerinnen der Familie wahrzunehmen und davon auszugehen, dass ihr niedrigeres Einkommen durch das Einkommen des Mannes ergänzt wird. Dies widerspricht dem Prinzip, dass die Leistung entgeltet werden soll und nicht das Geschlecht oder die familiäre Situation.
Die realen Bedingungen der Gesellschaft ändern sich fortlaufend und dementsprechend müssen auch die Einstellungen und Werte sich ändern. Frauen sind nicht mehr passive Mitglieder einer Familie, sondern übernehmen immer mehr die Ernährerinnenrolle der Familie.
„Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben werden immer durchlässiger. Die Zahl der Alleinerziehenden und Patchwork-Familien steigt. Das arbeitsteilige „Ernährermodell“ oder „Zuverdienermodell“ funktioniert nicht mehr. 58 Prozent der Mütter in Paarfamilien sind erwerbstätig, 73 Prozent davon in Teilzeit. Die Quote von Familienernährerinnen liegt bei ca. 20 Prozent und steigt.“ (Pressemitteilung Bayerische Landesfrauenrat vom 26.08.2014).
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum gerade in den Bereichen und Berufen, die sich vor allem mit Menschen beschäftigten (gerade wo junge Menschen als das wichtigste Kapital eines Landes bezeichnet werden) eine permanente Entwertung stattfindet. Es ist dabei nicht entscheidend, welches Geschlecht sich in diesem Bereich verdient macht, sondern die enorme Verantwortung, die mit den Aufgaben verbunden ist. Die Verantwortung für Menschen zu übernehmen ist mit Sicherheit nicht geringer und weniger komplex als die im Umgang mit Autos oder Bäumen.
Die schlechte Bezahlung in diesem Bereich wird zusätzlich durch Teilzeit und Befristung noch entwertet. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur ein Mal im Jahr, am Tag des Equal Pay Days unser Bedauern für ungerechte Entlohnung zwischen den Geschlechtern kundgeben, sondern es muss endlich gehandelt werden.
Handeln ist besser als bedauern.