Neue Geschlechterbewegung
Sprache gibt den Geist der Zeit wieder und wir benutzen sie bewusst – noch öfter aber unbewusst - und geben phonetisch das wieder, was wir im Laufe der Sozialisation internalisiert haben.
Sie ist der zentrale Aspekt der Kommunikation und hat eine ungemein brisante Wechselbeziehung von Integration oder Ausgrenzung, Akzeptanz oder Distanz, Legitimation oder Illegalität, Belohnung oder Bestrafung, Annahme oder Ablehnung, Respekt oder Missachtung.
Begrifflichkeiten und deren Definition sind alle historisch gewachsen.
Begriffe, wie "Homo-Ehe", "Bürgerbeteiligung", "Wahlkampf", "Krieg","Frieden", "Vertrag", "Familie", "Bildung", "Neue Mitte" oder "Soziale Marktwirtschaft", "Gleichheit", "Gerechtigkeit" und so weiter beinhalten alle eine enorme gesellschaftlich-philosophische Geschichte.
Diese einzelnen Begriffe können die zwischenmenschlichen Beziehungen so beeinflussen, dass das Leben oder der Tod am Ende steht. Sie sind nicht nur politisch, ideologisch, sondern auch rhetorisch tradiert. Das heißt, sie sind Resultate von Überzeugungen oder bedürfen Überzeugungsarbeit. Und diese Arbeit besteht aus fünf Säulen: inventio, dispositio, elocutio, memoria und actio.
Man überlegt sich Ideen, man recherchiert, sammelt und gliedert seine Ideen, formuliert mit Prägnanz, um schließlich seine Ideen als Handlungsorientierung, als Gesellschaftsvertrag durchzusetzen und bestimmte Ziele zu erreichen. Wir handeln interessenorientiert.
Damit regeln die Menschen ihr Leben und in politischen Verhältnissen die Machtfrage und die Teilung der Machtbereiche.
Der Kampf um die Definition, ist der Kampf der einen Hoheitsmacht über die andere. Gelingt es die Hoheit zu gewinnen, kann man die Einstellungen oder gar die Reaktionen der Menschen beeinflussen.
Die Sprache verdinglicht vor allem die Denk- und "Verhaltensdispositionen", "Gruppenzuschreibungen" und regelt auch die Beziehungen der zugeschrieben "Eigenschaften" und "Eigentümlichkeiten" der beschriebenen Gruppen und sie formt die diskursiven Rahmenbedingungen.
Die Sprachgesetze fungieren als regulativer Eingriff in die Gesamtdynamik einer Gesellschaft, ihre objektiven und subjektiven Gestaltungselemente und ihre Andeutungen. Die Sprache legitimiert ein bestehendes Phänomen oder negiert seine Notwendigkeit, gar seine Existenz.
Besonders diejenigen Terminologien haben hohe Durchsetzungskraft, die eine lang gewachsene Tradition aufweisen. In einem modifizierten begrifflichen Kontext besitzen sie weitreichende Veränderungskraft - insbesondere, wenn sie in einen Prozess der freiwilligen unmittelbaren Übernahme als normative oder funktionelle Inhalte rezipiert werden.
Gerade in der politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzung ist es evident, dass durch die Verwendung einer terminologisch fokussierten Haltung bestimmte Machtansprüche transportiert werden. Sie explizieren dadurch soziale Kategorien oder - in einer sehr subtilen Form - eine modifizierte Selbst- oder Fremdkategorisierung.
Die Verbindung zwischen Sprachverwendung und politischer Geltungshierarchie ist immer parteiisch und transformiert eine Terminologievariante, die oft eine ungleiche Sprachvermögensverteilung inne hat.
Selbst das, welches wir oft als Floskel abtun, hat eine starke Wirkung.
In einer Studie, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht wurde, setzt der Forscher sich mit der neuen "Männerbewegung" auseinander.Er stellt fest, dass es noch keine starke geschlossene "Männerbewegung" gibt und dennoch weist er mit recht auf eine drohende Gefahr hin.
Warum? - abgesehen von ihren gefährlichen Aktivitäten, wie der Veröffentlichung der Adressen der Frauenhäuser oder der offene Tag gegen Feminismus und Multikulti, welche die ideologischen Hintergründe verdeutlicht, postuliert sie Männer als Opfer und fordern Gleichberechtigung für Männer, die auf dem Arbeitsmarkt durch Frauenförderpläne "benachteiligt" werden.
Die politische Bandbreite ist erheblich: Männerpolitische Akteure und Akteurinnen von progressiv über konservativ bis reaktionär ringen um Deutungshoheit, einige von ihnen in produktivem Austausch mit Feminist/-innen, andere in offener bis hasserfüllter Konfrontation. Die Akteure und Akteurinnen scheiden sich nicht nur an der Frage, ob Frauen in dieser Debatte als Verbündete im Kampf gegen starre Rollenbilder oder als „der Feind“ zu betrachten sind, sondern auch an der noch grundsätzlicheren Frage, was Männlichkeit (und Weiblichkeit) eigentlich ausmacht.
(Rober Claus: Maskulismus, Antifeminismus zwischen Vermeintlicher Salonfähigkeit und unverhohlenem Frauenhass, Magister der Europäischen Ethnologie und Gender Studies Seite 9)
Wenn solche Behauptung nicht mit einer aggressiven Sprache, die Ängste und Verluste gerade bei Männern, die mühsam und mühselig lernen mussten, nicht mehr in alten Geschlechterhierarchien zu leben und zu denken, evozieren würden, könnte man sie als amüsante Behauptungen ignorieren.
Aber der Kontext und die sozialen Kategorien, in welchen Vertreter der Männerrechtsbewegung auftreten, dürfen nicht naiv vernachlässigt werden.
Eine klare und intensive Auseinandersetzung mit ihrer subversiven Sprache als Angriffe gegen Feministische Bestrebungen muss ernst genommen werden, denn es ist ein Fakt, dass die philosophisch-politischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten neue Bilder und Lebensperspektiven für Frauen und Männer, die nicht in alten Männerbildern leben können und wollen, erzeugt hat.
Beide Geschlechter haben gelernt, dass die Geschlechterverhältnisse, Definitionen wie „Männlich“ und „Weiblich“ fließend zu betrachten sind, dass das moderne Verständnis von „Weiblichkeit“ nicht mehr uneingeschränkt Macht-Asymmetrie zum Gunsten der Männer hinnimmt und ein offener Angriff auf Machtpositionen von Seite der Frauen nicht mehr zu verhindern scheint.
Diese soziale Auseinandersetzung um Macht und Ressourcen geht einher mit einer anderen, viel intensiveren und historisch bedeutsamen Umwälzung. Die Frauen- und feministische Bewegung hat den Blick auf die Sexualität grundsätzlich verändert und eine gesamtgesellschaftliche Debatte über das Zusammenleben, Liebe, Sexualität erzwungen.
Die heterosexuellen Männer waren konfrontiert mit einem Machtverlust gerade in einem Bereich, wo sie die "moralische", gesellschaftliche sogar "sakrale" Hoheit hatten. Sexualität nur innerhalb der kleinen Familie und zum Zweck der Fortpflanzung wurde als das wichtigste Element der Frauenunterdrückung auf der Seite der Frauenbewegung verpönt und die Sexuelle Vielfalt proklamiert
Die Arbeitswelt, die historisch als männliche Domäne galt, muss mittlerweile mit Frauen auf alle Ebenen geteilt werden und die Frauen beanspruchen gleiche Chancen, weil sie gut ausgebildet, stark und motiviert sind.
Die zentrale Ressourcenverteilung wie Politik, Wirtschaft und Verwaltung kann ohne Frauen nicht mehr funktionieren und ihr Wissen und Können sind für die Dynamik einer Gesellschaft nicht mehr verzichtbar.
Auch die patriarchalische Kernfamilie, wo der Mann alleiniger Entscheidungsträger war, verliert an Kraft und Legitimität und zahlreiche alternative Familienmodelle bilden sich heraus und behaupten ihren Platz in der Gesellschaft.
„Die tradierten männlichen Privilegien“ sind nicht mehr unhinterfragt und bedürfen einer neuen Strategie zum Machterhalt bzw. Machtwiedergewinn. Zu dem kommt auch, dass die neue "Männerbewegung" aus sehr rechten, religiös-konservativen, rechtsextremistischen Szenen Verbündete sucht, weil sie die Welt durch sexuelle Selbstbestimmung beider Geschlechter, und ein buntes Zusammenleben der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen bedroht sehen und einen vollkommenen gesellschaftspolitischen "Rollback" als einzige Rettung aus der “Krise“ prophezeien.
Sie zielen darauf ab, Männer aus verschieden Kreisen mit unterschiedlichen Motiven zu sammeln und daraus eine "Soziale Bewegung" herbeizurufen. Im Grunde werden die Männer als Opfer der modernen Bewegungen instrumentalisiert.
Die neue Männerbewegung bedient sich einer Sprache, die die Männer zur Aufrechterhaltung hegemonialer "Männlichkeit" auffordert und sie als hauptsächliche "Gewinner" einer "idealen" Welt darstellt, wo beide Geschlechter glücklich sind. Sie argumentiert mit verwahrlosten Kindern und dem Zusammenbruch der Kleinfamilie, als Folge der Frauenbewegung.
Im Gegensatz zu sozial vereinzelten neuen "Weiblichkeitsdefinitionen "und schwer durchsetzbaren neuen Begrifflichkeiten, die in der Gesellschaft noch nicht Mainstream sind und nicht als Selbstverständlichkeit Teile der gesellschaftlichen Kommunikation und Sozialisation geworden sind, sind die patriarchalischen Herrschaftsansprüche ,,natürliches Prinzip aller Zivilisationen und Kulturen.“
Man greift zurück auf altbewährte, vertraut tradierte Werte und Normen, Riten und Rituale, Strukturen und Kommunikationen, die für heterogene Männer Sicherheit und Stabilität als Hegemonie ohne Krise verspricht - ohne Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, ohne Konkurrenz mit Männern aus anderen Kulturen, ohne Teilung der Macht- und Wirtschafts-Ressourcen.
Die Mobilisierung solcher Aktivitäten darf man/frau nicht unterschätzen. Nicht zuletzt durch die modernen Medien, aber vor allem, weil sie mit sehr vertrauten Begrifflichkeiten agieren:
Frauen sind irrational, selbstbezogen, rachsüchtig, nicht sachbezogen, befassen sich eher mit eigener Problematik, sind auf Äußerlichkeit aus, Bequemlichkeit und Passivität lieben sie sehr und so weiter.
Solche Begrifflichkeiten und Haltungen werden wieder salonfähig verwendet und gewinnen immer mehr an Raum und Akzeptanz und jeder und jede kann aus seinem/ihrem Umfeld Beispiele erwähnen.
Die neue "Bewegung" kämpft für die Geschlechtersensibilisierung der Geschlechterverhältnisse aus eigener Sicht und sorgt sich sehr um die jungen Männer, die durch eine männerlose „Gesellschaft“ keine Vorbilder haben und unter einer Identitätskrise leiden.
Eine männliche Solidarität, die sehr schnell mit historischen Begrifflichkeiten, wie "Kameradschaft", "Mannschaft" und solche die eine Gruppenzuschreibung assoziieren, die mit "Erfolg", Hegemonie und Sicherheit gleichzusetzen sind.
Die assoziierten Bilder schließen nicht nur Frauen aus, sondern ebenso abweichende männliche Rollenbilder. Sie sind für Inklusion eigener "Männlichkeit" und Exklusion alternativer "Männlichkeiten".
Dementsprechend finden die Aktivisten der neuen "Männerbewegung" unzählige Anknüpfungspunkte, die Inklusion und Exklusion durchgängig vereinfacht rechtfertigt. Die simplen Gruppenzuschreibungen haben eine enorme Motivationskraft und können sehr leicht alte Feindbilder revitalisieren.
Die neue "Männerbewegung" ist beispielsweise nicht per se gegen Frauenarbeit. Es gibt in der Maskulinitäts-Welt durchaus Bereiche, wo die Frauen mit Einschränkungen arbeiten sollen, aber nicht unbedingt müssen.
Da, wo die Geborgenheit, Emotion, Fürsorge und Beständigkeit nötig sind. Erziehung, Pflege, Hauswirtschaft, etc. – ebenso ist die Bewegung nicht per se für Gewalt an Frauen und doch vertritt sie klare biologistische Zuschreibungsfunktionen.
Eine Zuschreibung von Ideologie und totalitären Werten.
Nach diesen totalitären Zuschreibungsfunktionen hat die Frau naturgemäß die emotionale Hoheitsmacht und durch die Frauenbewegung bekommen Frauen auch noch die soziale Macht. Dies bedeutet eine ganzheitliche "Machtlosigkeit" für Männer.
Der Maskulismus problematisiert diese angebliche absolute "Machtlosigkeit" und greift vor allem die Debatte um Gender Mainstream scharf an und zieht die Debatte um GM ins Lächerliche – zusätzlich wird der Begriff sogar als Angriff auf die historisch gemeinschaftlich gewachsene Sprachgemeinschaft interpretiert und stellt somit ein weitere "Machtlosigkeit" dar an die die Forderung geknüpft wird, die Sprache von fremden Einflüssen zu bereinigen.
Nicht die Auseinandersetzung mit Inhalten stehen auf der Agenda, sondern die Begrifflichkeitsbekämpfung. Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass der Kampf gegen Begrifflichkeiten, ein Kampf gegen gesellschaftspolitisch schwer erkämpfte Ziele und Verträge ist.
Deshalb ist Achtsamkeit geboten im Umgang mit den Floskeln, die mal als Scherz und mal als Fürsorge für ein gelungenes Zusammenleben wiederholt werden - weil wir alle eine menschenrechtsorientierte und diskriminierungsfreie Gesellschaft anstreben.
Es darf nicht mehr von einem exklusivem Geschlecht, den Rassenmerkmalen oder dem sexuellen Diktat als Gesellschaftsvertrag oder Option geträumt werden. Es ist notwendig, dass wir gerade in der Zeit der Krise und Umbrüche unsere Stimme erheben.