Ist der Erfolg männlich?
Es ist eine paradoxe Entwicklung - immer mehr Frauen haben große Erfolge im Studium und Ausbildung, aber die Männer in der Karriere. Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer und die Führungspositionen sind zum großen Teil männlich besetzt. Die Frage im Mittelpunkt der Debatte lautet: ist 'Frausein' ein Hindernis für Karriere oder haben die Frauen keine Führungsmotivation?
Nach einer Studie über Erfolg oder Niederlage im Beruf kommt man zur Schlussfolgerung, dass Erfolg oder Misserfolg nur in direkter und dynamischer Gedankenfolge mit dem psychologischen Geschlecht verstanden werden kann.
Bei allen Fragen über Work-Life-Balance-Ziele und Leistungsorientierung, Selbstverwirklichungs-Interesse oder Lebensplanung, haben beide Geschlechter identische Antworten gegeben, nur bei den Führungsambitionen waren die Antworten der Frauen sehr defensiv. Viele Junge Männer haben sich sehr deutlich dazu geäußert, dass sie im späteren Leben sehr gerne eine Führungsposition übernehmen wollen. Im Gegenteil dazu waren die Interessen der Frauen an Führungspositionen sehr gering. Woran liegt diese geringe Interessenbekundung?
Kann es sein, dass der Erfolg im Beruf mit den als typisch männlich angesehenen Dispositionen zusammenhängt wie Aktivität, Dynamik, Leistungs- und Wettbewerbsorientiertheit, emotionale Unempfindlichkeit und Unabhängigkeit, Dominanz und Selbstbewusstsein im Vergleich zu weiblichen Eigenschaften wie Emotionalität, Empfindsamkeit, Passivität, Taktgefühl, Mangel an technischer Begabung, Beziehungsorientiertheit, Selbstlosigkeit?
Ich möchte die These aufstellen, dass die Gründe für die vermuteten geschlechtsspezifischen Eigenschaften, in den Zuschreibungen zu den Rollen, in denen Frauen und Männer erfahren werden, zu suchen sind. Traditionell und über Jahrhunderte werden Frauen hauptsächlich in Berufen der Fürsorge und Männer in Rollen der Entscheidungsträger erlebt. Durch diese beobachtbare Wahrnehmung der unterschiedlichen Rollenerfüllung werden die wahrgenommenen Rollen mit dem Rollenverhalten assoziiert.
Nach Parsons Theorie über normative Regeln der sozialen Ordnung strukturieren die allgemein vorgegebenen Normen und Werte unser Zusammenleben. Die Normen und Regeln, die die Menschen internalisiert haben, greifen in die menschlichen Handlungsziele ein, in dem sie entweder variieren oder einschränken. Die Normen und Werte sind auch gegenüber jedweder vernunftmäßigen Nutzenkalkulation immun, weil sie einfach stärker wirken, als sämtliche vernünftigen Überlegungen.
Durkheim geht deshalb vom Kollektivbewusstsein aus.
Der Soziologe Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung und seit 2013 Abteilungsleiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hat in einem Interview mit der Wochenzeitschrift die ZEIT am 08.11.2012 über die Lohngefälle zwischen verschiedenen Berufen und Geschlechtern betont, dass auch wichtig ist
“..., ob die Gesellschaft in Deutschland den Beruf wertschätzt oder eher nicht. Die Zeit: Was meinen Sie mit Wertschätzung? Bispinck: Dass beispielsweise Ärzte heute meistens ein höheres Ansehen haben, als Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst und sich das beim Gehalt niederschlägt. Das lässt sich aus unserer Statistik ablesen. Ich denke, dass die Wertschätzung etwa für technische und juristische Berufe höher ist als für soziale Berufe. Wie viel die Menschen leisten, also die tatsächliche Wertigkeit der Arbeit, bleibt meiner Meinung davon aber unberührt.”
Er berichtet auch detailliert, wie unterschiedlich die Abschlüsse auf dem Markt bewertet werden und seine Statistiken-Analyse über die Lohngefälle zwischen den Geschlechtern sind sehr erhellend
ZEIT: Frauen mit Universitätsabschluss kommen in den ersten Berufsjahren beim Gehalt schlechter weg als Männer. Woran liegt das? Wählen sie die falschen Berufe?
Bispinck: Nein, nicht unbedingt. In anderen Studien haben wir die einzelnen Branchen untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen: Diese Unterschiede gibt es innerhalb der Berufsgruppen. Weitere Studien haben gezeigt, dass wir die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht vollständig erklären können. Damit meine ich geringere Qualifikation, häufige Berufsunterbrechung bei Frauen oder niedrigere berufliche Position. Das Gehalt von Frauen ist bei gleicher Position trotzdem oft niedriger. Das heißt: Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind.
Es ist dann erklärlich, warum die Chef–Sessel traditionell mit Männern besetzt sind und sie ihrem Geschlecht automatisch hochwertigere Leistung zuschreiben als der Leistung der Frauen - und dementsprechend suchen sie zugleich und unvermeidlich als Nachfolger oder Mitarbeiter für hohe Positionen Ihresgleichen. Unsere Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit ist trotz aller modernen Bestrebungen durch tradierte Werte und Normen bestimmt. Selbst da, wo es keine rationale Erklärung dafür gibt und trotz der Hindernisse, die dadurch entstehen.
Die tradierten Normen und Werten wirken dann auch sinnvoll, wenn dieselben Vorstellungen zusätzlich mit rationalen Nutzen-Kalkulationen konform werden. Dann ist es äußerst schwer, die Normen und Werten zu verändern.
Wenn Frauen in Sozial- und Erziehungsberufen trotz hochwertiger Leistung wenig bezahlt wird, sind die Nutzen-Kalkulationen für die Unternehmen leicht nachvollziehbar. Männer werden gemäß gesellschaftlicher Normen und Werte und aufgrund der Nutzen-Kalkulation höherwertig geschätzt. Dies wirkt unweigerlich negativ auf die Beförderungspraxis für Frauen und prägt die negative Wertschätzung weiblich dominierter Berufe, samt der Selbsteinschätzung von weiblicher Identität.
Das Verhalten bei Einstellungen sowie Beförderungen und Gehaltsentscheidungen basiere auf den „Vorstellungen einer diffusen männlichen Höherwertigkeit. […] Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind.“ Reinhard Bispinck
Selbst da, wo die Frauen für Führungspositionen kandidiert werden, müssen sie bessere Ausbildung und höhere Arbeitsleistung zeigen und noch wichtiger, sie müssen männliche Leitbilder epigonenhaft wiedergeben, um sich angepasst zu zeigen. Deshalb kann zurzeit noch nicht von einem unterschiedlichen Führungsstil von Männern und Frauen gesprochen werden. Wir handeln nicht wertfrei. Oft bekommen Frauen eine Führungsposition, wenn eine krisenhafte Situation vorkommt, wo die Erfolge in der Ferne liegen. Dann sucht man eine Frau, die neben bester Ausbildung und dem Engagement mutig genug ist, sich der Situation zu stellen.
“Pikanterweise werden Frauen durchaus bevorzugt, wenn es gilt, eine konkrete Krisensituation zu meistern. Danach stehen sie unfreiwillig häufiger auf einer unsichtbaren Klippe, von der sie leicht abstürzen können („Glass Cliff Effect“). Scheitern Frauen bei dieser besonders riskanten Aufgabe, „bestätigen“ sie die männlichen Vorurteile. Machen sie ihren Job gut, erfüllen sie lediglich die Erwartung an sie als gute „People Manager“. Jürgen Weibler, Gastprofessur an der Macquarie Graduate School of Management (MGSM) Sydney
Zwar sind Frauen verfassungsgemäß mit Männern gleichgestellt, aber die Realität sieht anders aus. Sie verfügen nicht über Mittel und Instrumente, mit denen sie dauerhaft die gesellschaftlichen Verhältnisse mitbestimmen könnten, geschweige denn sie zu ihren Gunsten komplett umwandeln würden, sie haben seltener eigenständige existenzsichernde Einkommen und der Zugang zu den Positionen mit höheren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vermögen ist für sie äußerst schwer - selbst hochgebildete Frauen haben geringere Arbeitsmarktchancen.
Die durchschnittliche Lohnlücke von 22 Prozent hat so fortlaufend destruierende Wirkung auf ihr Leben, dass sie im Lebensverlauf nur 42 Prozent von dem an Lohn abkriegen, was Männer im Leben verdienen. Das Alter und ihre hierarchische Position in den Unternehmen verschärfen den Einkommensunterschied noch weiter. Diese Fakten unterliegen besonders wenig Bewegung.
„Viele Generationen lang haben Männer die Führungspositionen in der Wirtschaft besetzt und einen Standard für Deutungshoheit definiert, den wir heute verinnerlicht haben.“ So werden Führungspositionen bzw. die Erwartungen an Führungskräfte mit Aggressivität, Ehrgeiz, Energie, Entschlossenheit, Stärke etc. assoziiert. Also mit Begriffen, die auch typisch sind für Männer und deren Sicht von sich selbst. Jürgen Weibler
Ob die Stereotypen der Geschlechter-Eigenschaften richtig oder falsch sind, darüber habe ich genug geschrieben. Fakt ist, dass unsere Vorstellungen leider nach wie vor von alten Werten und Normen gelenkt werden und die Vormachtstellung der Männer weiterhin zementieren. Das ist es, was man als beobachtbare Hürde, den „Glass Ceiling Effect“ bezeichnet.
Die Debatte um die Frauen-Quote ist nicht leicht zu führen, denn die Gefahr droht, dass gerade die Vorbehalte gegenüber Frauen, dass sie nicht aus eigener Kraft und Ehrgeiz die Führungspositionen erklimmen könnte, bestärkt werden.
Umso wichtiger ist dennoch, dass die Erhöhung des Anteils der Frauen als Leitidee mindestens in darunterliegenden Ebenen, als Ausgangspunkt für etwaige Führungspositionen, gefördert wird, damit ihnen ein Zugang zu den Leitungspositionen überhaupt ermöglicht wird. Es ist eine ethische, moralische und verfassungsmäßige Aufgabe, sich zu bemühen, dass die Wandlung der Realität sich in den Normen und Werten widerspiegeln.
”Zurzeit wird der ‚Transformationelle Führungsstil’ als besonders effektiv angesehen. Dabei werden u.a. die Beschäftigten als Persönlichkeiten mit individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen gesehen, auf die die Vorgesetzten auch unterschiedlich eingehen müssen. Weiblichen Führungskräften fällt das anscheinend etwas leichter als männlichen.“ Zudem belohnen sie stärker Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einem konkreten Anlass, also kurzfristig nach einem Erfolg. Weibler
Wenn die realen Bedingungen die „weiblichen Eigenschaften“ selbst dann, wenn sie nicht der Tatsachen entsprechen würden, als Nutzen-Kalkulationen bevorzugen, ist die Frage berechtigt, warum die Frauenpotentiale im großen Maß vernachlässigt werden. Die Antwort kann den Weg zur tatsächlichen Gleichstellung ebnen.