Stadtarchiv

Das Stadtarchiv Würzburg digitalisierte in großem Umfang Ratsprotokolle und Leichenschauscheine

Mithilfe einer Förderung durch Bundesmittel der Digitalisierungsoffensive "WissensWandel" für Bibliotheken und Archive innerhalb des Programms "Neustart Kultur" konnten die Ratsprotokolle der Jahre 1860 bis einschließlich 1944 sowie der Bestand Totenscheine digitalisert werden.

„Alle im Stadtbezirk Würzburg geschlachteten Bären aller Art, Hunde, Katzen, Füchse, Dächse, Iltisse, Igel und Flußpferde müssen, bevor sie zerlegt und zum Genusse für Menschen zubereitet oder feilgehalten oder verkauft werden, auf Trichinen untersucht werden.“

Diese Vorschriften zur Untersuchung von – auch in der Weimarer Republik – sehr speziellem Schlachtvieh auf gefährliche Fadenwürmer fasste der Würzburger Stadtrat im Jahr 1930. Die Niederschrift der Sitzung, auf der dieser Beschluss gefasst wurde, befindet sich in einem von 166 Ratsprotokoll-Bänden aus den Jahren 1860 bis 1944, die das Stadtarchiv von externen Dienstleistern digitalisieren ließ. Das gleiche geschah mit den ca. 85.600 Würzburger Leichenschauscheinen der Jahre 1826 bis 1913. Kräftig gefördert wurde dieses Digitalisierungsprojekt durch Bundesmittel der Digitalisierungsoffensive „WissensWandel“ für Bibliotheken und Archive innerhalb des Programms „Neustart Kultur“.

Ausgewählt wurden die beiden Bestände unter folgenden Gesichtspunkten:

Bei den Ratsprotokollen handelt es sich um die zentrale Überlieferung der politischen Gremien der Stadt, die wichtige Entscheidungswege und Weichenstellungen nachzeichnen – und dies in einer Zeit vielfältiger Umbrüche: vom souveränen Königreich Bayern innerhalb des Deutschen Bundes, über die Einigungskriege und die Integration Bayerns in das entstehende Deutsche Reich hin zu den Gründerjahren und dem Fin de Siècle und dann weiter über den Ersten Weltkrieg, die krisengeschüttelte Weimarer Republik und den NS-Unrechtsstaat bis hinein in die Endphase des Zweiten Weltkriegs. Diese Protokolle sind umso bedeutsamer und wichtiger, als viele andere Unterlagen der Stadtverwaltung aus dieser Zeit am 16. März 1945 untergingen.

Die Leichenschauscheine, die von dem Arzt ausgefertigt wurden, der den Tod festgestellt hatte, ergänzen nicht nur den durch Kriegsverluste lückenhaften Bestand der Sterberegister der Jahre 1876 bis 1913, sondern ermöglichen Personenforschung anhand originär kommunaler Unterlagen bereits 50 Jahre vor dem Einsetzen der Personenstandsunterlagen. Darüber hinaus enthalten die Leichenschauscheine Informationen, die über die Angaben in Sterbeurkunden und kirchlichen Sterberegistern hinausgehen, wie z. B. Todesursache, Dauer von Krankheiten, Bestattungsdatum, Wohnort und Wohnungsgröße, und stellen daher für die (lokale) Sozialgeschichtsforschung einen noch weitgehend ungehobenen Schatz dar.

Diese wichtigen Quellen stehen den Benutzerinnen und Benutzern nun an einem Bildschirm im Lesesaal auf komfortable Weise und ohne Wartezeit zur Verfügung. Zugleich werden die bereits angegriffenen Originale in Zukunft geschont, weil sie normalerweise nicht mehr vorgelegt werden müssen. Die letzten drei Ratsprotokoll-Bände (1936-1944) wurden – da im Original schreibmaschinenschriftlich abgefasst – überdies mittels OCR-Technik gescannt und sind somit besonders komfortabel recherchier- und durchsuchbar.

Mittelfristig ist geplant, die Digitalisate der interessierten Öffentlichkeit auch über das Internet zugänglich zu machen. Und so wird es dann möglich sein, dass überall auf der Welt Menschen Zugriff auf diese Quellen haben und sich so aus erster Hand ein Bild von den Ereignissen der genannten Jahre machen können – auch dort, wo Flusspferde ein alltäglicherer Anblick sind als im Würzburg des Jahres 1930.

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