Rathaus-Innenhof wird neue Heimat der „Stehenden Tripolitanerin“

Emy-Roeder-Figur kehrt in den öffentlichen Raum zurück

Stehende Tripolitanerin von Emy Roeder als Simulation im Rathausinnenhof Würzburg. Collage: Peter Wiegand

Rathaus-Innenhof wird neue Heimat der „Stehenden Tripolitanerin“

Emy-Roeder-Figur kehrt in den öffentlichen Raum zurück

Die diesjährige Gewinnerin des Leonhard-Frank-Stipendiums ist Wibke Charlotte Gneuß. Foto: Jens Lamprecht

In der Stadt tut sich was in Sachen (mehr) Kunst im öffentlichen Raum: Den nordwestlichen Bereich des Rathaus-Innenhofs schmückt seit wenigen Tagen die „Stehende Tripolitanerin“ von Emy Roeder (1890 bis 1971). Die „Neue“ an dieser Stelle ist eigentlich eine Altbekannte: eine abstrahierte menschliche Figur mit stark geometrisierter Gesichtsform und eng in einen Umhang eingewickeltem Körper. Ein Spätwerk der bis ins hohe Alter wandlungsfähigen Künstlerin, das eines ihrer durch Afrikareisen inspirierte Hauptmotive aufgreift und den Einfluss prähistorischer Kunst zeigt. Warum dieses Bronze-Objekt? Warum hier? Warum (erst) jetzt? Diese und weitere Fragen zur Vorgeschichte beantwortet Dr. Henrike Holsing, stellvertretende Leiterin des Museum im Kulturspeicher (MiK). Emy Roeder – in kaum einer Ausstellung und Publikation über führende Künstlerinnen des bildhauerischen Expressionismus und der klassischen Moderne fehlt ihr Name. Würzburg ist die Geburtsstadt der Zeitgenossin und Kollegin von Gerhard Marcks, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und anderen bedeutenden Größen der Szene. Und: Obwohl längst nicht mehr Lebens- und Arbeitsmittelpunkt – das war einst Berlin, während des National­sozialismus Florenz und Rom, nach dem Zweiten Weltkrieg Mainz – hat sie der Stadt ihren künstlerischen Nachlass vermacht. Daher verwahrt die städtische Sammlung des MiK über 100 Plastiken, mehr als 770 Zeichnungen und sämtliche noch vorhandene Gussformen und Gipse aus Roeders Besitz. Zudem hat Roeder das Museum berechtigt, Neugüsse vornehmen zu lassen. Neben dem der großen Bildhauerin und mit ihr befreundeten Kollegen wie Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Hans Purrmann gewidmeten Saal zeigte das MiK ihre Werke auch in überregional beachteten Ausstel­lungen. Doch im öffentlichen Raum kündete nichts von der renommierten Künstlerin, sieht man ab von einer Gedenktafel an ihrem Geburtshaus am Markt, einer nach ihr benannten Straße und einer wegen Schäden längst abgebauten Plastik, die einst vor der Städtischen Galerie stand und sich heute im Museum befindet. Beantragt: Emy-Roeder-Werk an prominenter Stelle „Unsere große Emy-Roeder-Schau 2018 ließ bei den Besuchern wohl den Wunsch aufkommen, dieses Manko zu beheben“, vermutet Holsing. Denn im Frühsommer 2019 stellten Mitglieder der CSU-Stadtratsfraktion den Antrag, an einem prominenten Ort im Stadtgebiet eine Emy-Roeder-Skulptur aufzustellen. Dafür gab es ohne größere Diskussion grünes Licht. Doch welche und wo? Infrage kamen seitens des MiK zwei Frauengestalten: die „Sitzende Tripolitanerin“ (1961) und „Stehende Tripolitanerin“ (1967). „Das Kulturreferat favorisierte wegen der Größe von etwas über zwei Metern die ,Stehende‘, eben jene in der Hofstraße demontierte Figur.“ Für den Guss der benötigten Kopie und die Aufstellung wurden 20.000 Euro in den städtischen Haushalt eingestellt. Nach der geklärten Objektfrage prüften MiK, Stadtplanung und Gartenamt gemeinsam diverse mögliche Aufstellungsorte. Von denen war der Rathausplatz letztendlich „für alle Beteiligten die überzeugendste Lösung“ und zudem der Bedeutung Roeders für Würzburg angemessen. So schnell wie gewünscht ließ sich die Aufstellung zwar nicht realisieren, aber jetzt fand die symbolische Einweihung der „Tripolitanerin“ am 20. Juli endlich statt. Das Datum war exakt abgestimmt auf den monatlichen Veranstaltungsreigen, mit dem das am 20. Februar 2002 eröffnete MiK heuer sein Jubiläumsjahr feiert.

Sabine Dähn-Siegel