Menü

Ehrenbürgerrecht für Dr. Josef Schuster: Moralische Instanz mit Tatkraft

Die höchste Auszeichnung der Stadt Würzburg, das Ehrenbürgerrecht, verlieh Oberbürgermeister Christian Schuchardt im Namen des Stadtrats in einem Festakt im Ratssaal des Würzburger Rathauses an Dr. Josef Schuster: „Er ist ein Glücksfall für unsere Stadt und unser Land.“ Als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland genieße Dr. Schuster über Deutschland hinaus hohes Ansehen und zähle heute zu den bekanntesten Würzburger Persönlichkeiten. 

In Würzburg ist er spätestens seit er 1998 den Vorsitz der hiesigen jüdischen Gemeinde übernahm, der zentrale Akteur, mit dem wichtige Wegmarken des jüdischen Lebens verbunden sind. Die Gemeinde verfünffachte durch die Zuwanderung der Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion in wenigen Jahren ihre Zahl auf heute wieder über 1000 Mitglieder. Diese enorme Integrationsleistung meisterte der Sohn von David Schuster erfolgreich und füllte somit die großen Fußstapfen seines Vaters aus, der die Familie - allen Nazimorden zum Trotz - 1956 aus Israel zurück nach Würzburg gebracht hatte und jahrzehntelang Vorsitzender der wiederbelebten Gemeinde blieb und als Motor der Aussöhnung unvergessen ist.

2006 beendete die Einweihung des Shalom Europa die drückende Raumnot der stark gewachsenen Gemeinde. Diese Begegnungsstätte, die das jüdische Leben und die lange Geschichte hier vor Ort repräsentiert, war Dr. Schuster eine Herzensangelegenheit; wie auch der am Hauptbahnhof realisierte DenkOrt Deportationen. Beides Orte mit Bedeutung über Unterfranken hinaus.

Schuchardt würdigte die zahlreichen Funktionen, Ämter und Engagements die der Internist, der bis 2020 noch seine eigene Praxis weiterführte, mit Leben füllt. Jahrzehntelang engagierte er sich als Arzt ehrenamtlich auch beim Bayerischen Roten Kreuz und in der Wasserwacht und ist bis heute noch regelmäßig im Notarztdienst aktiv.

1998 wurde Josef Schuster Vizepräsident und ist seit 2002 Präsident des Landesverbandes Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern. Bereits 1999 wurde er in das Präsidium des Zentralrates der Juden in Deutschland gewählt. Ab 2010 war er Vizepräsident des Zentralrates und seit 2014 ist er als dessen Präsident der oberste Repräsentant von rund 100.000 deutschen Jüdinnen und Juden und zugleich Vizepräsident des European Jewish Congress und des World Jewish Congress. Zusätzlich war er zeitweise Mitglied der Bio-Ethik-Kommission der Bayerischen Staatsregierung sowie der Zentralen Ethik-Kommission der Bundesärztekammer und seit 2020 gehört er dem Deutschen Ethikrat an. Er unterstützt zahlreiche Projekte wie das Jugendfestival „Jewrovision“ oder „Meet a Jew“, das Jugendlichen die Begegnung mit gleichaltrigen Jüdinnen und Juden, die aus ihrem Alltag erzählen, ermöglicht. Es sind solche Projekte, mit denen erreicht wird, dass jüdisches Leben als Normalität, als Bereicherung und als integraler Teil unserer Gesellschaft wahrgenommen wird. 

Die Erinnerung an die Shoa wachzuhalten und sicherzustellen, dass Politik und Zivilgesellschaft aus dem nationalsozialistischen Völkermord die notwendigen Lehren auch heute ziehen, sei Dr. Schuster das zentrale Anliegen, betonte Schuchardt in seiner Laudatio: „Sie sind aber mehr als nur ein Mahner, und werden auch so wahrgenommen. Sie sind zentraler Repräsentant eines lebendigen Judentums in Deutschland, das beim Blick in die Geschichte seit langer Zeit das Land auf verschiedenste Weise geprägt hat. An diese Kontinuität, an dieses Selbstverständnis knüpfen Sie nach den Gräueln des 20. Jahrhunderts an. Die Vielfalt jüdischen Lebens einst, aber auch heute für möglichst viele Menschen erlebbar zu machen, ist Ihnen ein echtes Herzensanliegen - auch weil Sie überzeugt sind: Wer weiß, wie Juden glauben, feiern und leben, der ist eher gefeit gegen antisemitische Vorurteile und Verschwörungstheorien.“

Schuchardt machte in seiner Laudatio deutlich, dass Dr. Schuster seine stets sachliche, aber auch unmissverständliche Stimme generell bei Diskriminierungen oder Angriffen auf Minderheiten erhebt, keinesfalls nur im Kontext von Antisemitismus: „Das macht Sie zu einem besonders glaubwürdigen Anwalt eines pluralistischen und weltoffenen, toleranten und demokratischen Deutschlands.“ 

Vor vielen Festgästen aus der Politik, hohen Vertretern der Kirchen und Glaubensgemeinschaften und mit der Familie in der ersten Sitzreihe erklärte der neue Ehrenbürger welch ambivalenten Gefühle ihn an diesem Tag begleiteten. Einen Tag nach der Wahl eines Landrats, der einer zutiefst undemokratischen und antisemitischen Partei angehöre, sei er sehr besorgt, freue sich aber gleichzeitig, dass in Würzburg eine engagierte Bürgerschaft gegen den Besuch eines weiteren prominenten AfD-Politikers zum Gedenktag am Barbarossaplatz ein starkes Zeichen setzte. 

In einem kurzen geschichtlichen Abriss, machte er deutlich, dass die Wurzeln des jüdischen Lebens in Würzburg viele Jahrhunderte weiter zurückreichen als in die Zeit des Nationalsozialismus und der Shoa. Dieser komprimierte Rückblick zeigte, dass man nicht nur einmal in der Geschichte Würzburgs in schwierigen Zeiten einen Sündenbock suchte und diesen wie beispielsweise bei den Hep-Hep-Krawallen 1819 und früheren Pogromen in der jüdischen Bevölkerungsminderheit fand. Die jüdische Geschichte zeige aber auch, dass man Gräben überwinden könne, dass die Religionen heute zu einem guten Miteinander gefunden haben. Nach seiner Rede erhoben sich die Gäste im Saal und bedachten den neuen Ehrenbürger mit viel Applaus. Dr. Schusters Ernennung zum Ehrenbürger ist die erste Auszeichnung seit Barbara Stamms Würdigung 2019. Aktuell hat neben ihm nur Rosemarie Ruppert diese höchste Auszeichnung inne.

Die Überreichung der Ehrenbürgerwürde wäre nicht komplett ohne eine Reihe von besonderen Ritualen: So trug sich Dr. Schuster mit den Worten „Meiner Heimatstadt mit Dank für die erwiesene große Ehre“ in das Goldene Buch der Stadt Würzburg ein. Anschließend folgte der Ehrentrunk aus dem Riemenschneider-Becher: eine besondere Riesling-Auslese von 2018. Die musikalische Umrahmung des Abends besorgte Catharina Mothes mit Harfenstücken von Johann Ladislaus Dussek, Georg Friedrich Händel und Marcel Georges Lucien Grandjany. Im Foyer ging der Abend bei einem Stehempfang zu Ende.


Ehrenbürgerrecht Dr Josef Schuster-6
Ehrenbürgerrecht Dr Josef Schuster-6

Mahner und Gestalter: Dr. Josef Schuster ist nun Ehrenbürger der Stadt. Bürgermeister Judith Roth-Jörg, Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Bürgermeister Martin Heilig blicken beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt über die Schulter und zählen zu den ersten Gratulanten. Foto: Georg Wagenbrenner 

Ehrenbürgerrecht Dr Josef Schuster-7
Ehrenbürgerrecht Dr Josef Schuster-7

Höchste Auszeichnung der Stadt Würzburg: Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Dr. Josef Schuster. Foto: Georg Wagenbrenner


 

>>> zurück