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Übersichtsstelen

Willkommen in Heidingsfeld!

An dieser Stelle betreten Sie den Bereich, der ursprünglich die Stadt Heidingsfeld bildete. Dieser wird auch als „Städtle“ bezeichnet – in Abgrenzung zur großen Stadt Würzburg. Auf der Zeittafel können Sie wichtige Ereignisse der Heidingsfelder Geschichte ablesen. Wenn Sie geradeaus blicken, sehen Sie die Wenzelstraße, benannt nach König Wenzel (1361-1419), der Heidingsfeld mit städtischen Rechten versehen und den Ort auch danach weiter gefördert hat. Heute bildet die Wenzelstraße zusammen mit dem Rathausplatz und der Klosterstraße die Haupteinkaufsachse des „Städtles“. Noch vor einigen Jahrzehnten wäre Ihr Blick an dieser Stelle allerdings allein auf die Stadtmauer gefallen. Der Eingang nach Heidingsfeld befand sich weiter nördlich, von hier aus gesehen weiter links, wo das mächtige Nikolaustor den Zugang sicherte. Das dadurch bewirkte „Abknicken“ der auf Heidingsfeld zuführenden Straße war verteidigungstechnisch sinnvoll. Als sich aber im 19. Jahrhundert die Verkehrsverhältnisse änderten und die Stadtbefestigung ihre Verteidigungsfunktion längst verloren hatte, musste zunächst das Tor – bis auf einen kleinen Rest – weichen. In den 1950er-Jahren wurde dann in gerader Linie ein Durchbruch durch die Stadtmauer und so die heutige Verkehrssituation geschaffen. Zwischenzeitlich (1968-2014) lagen sogar Straßenbahnschienen in der Wenzelstraße, über die die Linie 3 quer durchs „Städtle“ verkehrte. Heute ist die Straße weitgehend als verkehrlich beruhigte Einbahnstraße gestaltet.

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Straßenbahn in der Wenzelstraße beim Passieren des Stadtmauerdurchbruchs 1989; Foto: Bernhard Kußmagk.

Im Dreißigjährigem Krieg (1618-1648) litt auch Heidingsfeld unter Truppendurchzügen und Einquartierungen - drei Jahre lang von 1631 bis 1634 war es von Schweden besetzt. Zuletzt waren noch 1645 französische und schwedische Soldaten des Obersten von Königsmarck hier. Die Legende um den Verrat an die Schweden wird heute vor allem in Form von Leonhard Zängleins (1857-1932) Gedicht weitererzählt.

Die Sage erzählt

Die Schweden rückten an. Halb Franken war Erobert von der Feinde grimm`gen Schar.
Jetzt kamen sie vor Heidingsfeld, Verlangten Übergab` der Stadt und Geld.
Die Bürger aber sagten: Nein. Zu unseren Toren kommt kein Feind herein!
Von Turm und Mauer flog ein Kugelregen Dem sieggewohnten Feind entgegen.
Für diesmal hatte er kein Glück Und zog entmutigt sich zurück.
Doch der Verräter stand schon auf der Lauer: Dort hinten bei der Nonnengartenmauer.
War ein Kanal. Da kroch hinaus ganz sacht Ein Mann in schaurig finstrer Nacht.
Doch kehrte er zurück nicht mehr allein, Zehn Feinde krochen noch mit ihm herein.
Bedächtig gingen sie am Unternwege vor. Erreichten unbemerkt das Obertor
Dort taten meuchlings sie die Wach`ermorden. Und öffneten behutsam dann die Pforten.
Es schlichen viele Schweden erst herein, Doch bald begann ein Rasseln, Lärmen, Schrei‘n;
Kaum war der erste Hilferuf erklungen, So waren alle Schweden in die Stadt gedrungen.
Bevor noch mancher Bürger aufgewacht, War schon die Stadt in Feindesmacht,
Die Schweden machten sich sogleich Quartier Und wurden nach und nach ganz heimisch hier.
So manches junge Mägdlein Ließ sich auch mit den Schweden ein,
Ja, als der Friede ward geschlossen, Gar viele Abschiedstränen flossen.
Der Feind zog ab - die Stadt war frei! Nun gab`s zu ordnen mancherlei.
Versammlung wurde abgehalten Am Rathausplatz - so war es bei den Alten.
Da drängte sich ein Mädchen in die Bürgerschar Und rief: „Wißt ihr, wer jener Schurke war,
Der seine Vaterstadt verriet? Er stehet jetzt in eurer Mitt`!
Ein Schwedenhauptmann hat mir`s anvertraut!“ Das Mädchen rief dann den Verräter laut.
Kaum hörte dieser seinen Namen, So stürzte er vor Schreck tot zusammen.
Das war das Ende von dem Vaterstadtverräter, Sein Bildnis aber hat man später
Als Schandmal an die Rathausuhr gesetzt: Man nennt es nur das „Giemaul“ jetzt.

Rathausplatz_1910
Rathausplatz_1910
Historische Fotografie um 1910. Sie zeigt das am 16.03.1945 untergegangene Rathaus aus dem 15. Jahrhundert. Der 1960 erbaute Nachfolgerbau wurde räumlich auf die „Marktbrücke“ versetzt.
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Uhr und vom Bildhauer Oskar Müller (1908-94) geschaffene Plastik des Giemauls am heutigen Gebäude.

Stadtrechte und Stadtbefestigung

Unter Kaiser Karl IV. (reg. 1346–1378) erhielt Heidingsfeld 1367 Stadtrechte. Zuvor hatte Karl den Ort in seiner Eigenschaft als König von Böhmen erworben. Von der Erhebung zur Stadt profitierte Heidingsfeld in politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht: Es durften Märkte abgehalten werden, Rat und Gericht bestimmten über die kommunalen Angelegenheiten, und man begann den Bau des Rathauses. Vor allem aber wurde Heidingsfeld nun mit einer Mauer befestigt, die heute noch über weiten Strecken erhalten ist.

Zum System der Stadtbefestigung gehörten auch Türme und Wehrgänge. Der Zugang zur solchermaßen ummauerten Stadt erfolgte über drei Tore, die neben ihrer Funktion als Befestigungsbauwerke auch zolltechnische und repräsentative Aufgaben hatten. Bei den Toren handelte es sich um das Klingentor im Süden, das Nikolaustor im Westen und das Obertor im Osten, das an der Straße von bzw. nach Ochsenfurt lag.

Obertor

Die Anlage des Obertors war der Stadtmauer vorgelagert. Es wurde außen von zwei Rundtürmen mit Fachwerkaufbau flankiert; im Anschluss daran erstreckte sich ein Zwinger, also ein Verteidigungszwecken dienender ummauerter Innenhof. Der vor der Mauer liegende Stadtgraben wurde im Bereich des Obertors von einer Brücke überspannt, auf der sich ein Torhaus befand, dessen oberer Bereich einen Fachwerkaufbau besaß. Das innere Tor schloss bündig mit der Stadtmauer ab; direkt dahinter befand sich der Zehnthof von St. Burkard. Heute sind die Stadttore selbst – bis auf ein Reststück des Nikolaustores – verschwunden: 1865 beschloss der Heidingsfelder Magistrat, alle Stadttore und damit auch das Obertor zu beseitigen mit der Begründung, dass „dieselben zwecklos sind“. Vom Obertor ist daher heute nur noch das ehemals dort angebrachte Wappen mit dem böhmischen Löwen und dem Reichsadler erhalten, das man an die Nordwand des Zehnthofes versetzte.

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Obertor, 19. Jahrhundert (aus Walter Obst, Heidingsfelder Bilderbogen, 1979)

Empfangsgebäude

Im Jahr 1864 wurde die Eisenbahnstrecke von Würzburg nach Ansbach eröffnet. In diesem Zusammenhang erhielt die damals noch selbständige Stadt Heidingsfeld ein heute unter Denkmalschutz stehendes Empfangsgebäude aus Sandstein in spätklassizistischem Stil. Obgleich – ebenso wie etwa in Ochsenfurt und Marktbreit – ein baulicher Normtyp verwirklicht wurde, hat das Bahnhofsgebäude doch einen außerordentlich repräsentativen Charakter.

„Bayerischer Bahnhof“

Zwei Jahre später wurde die Badische Odenwaldbahn von Mosbach über Osterburken nach Würzburg in Betrieb genommen, die von der Badischen Eisenbahnverwaltung betrieben wurde; dies führte zur Errichtung eines zweiten Heidingsfelder Bahnhofs südwestlich des „Städtles“. Zur Unterscheidung wurde dieser als „Badischer Bahnhof“ bezeichnet; der heutige Ostbahnhof erhielt dagegen die Bezeichnung „Bayerischer Bahnhof“. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die eigenständigen Bahnverwaltungen der süddeutschen Länder aufgehoben; die Reichsbahn änderte in der Folge auch die Namen der beiden Heidingsfelder Bahnhöfe: Aus dem bisherigen „Bayerischen Bahnhof“ wurde entsprechend seiner örtlichen Lage der Bahnhof Heidingsfeld Ost, aus dem „Badischen Bahnhof“ der Bahnhof Heidingsfeld West.

Umnutzung

Die Vielzahl an Nebengebäuden unterstreicht die ehemalige Bedeutung des Ostbahnhofs – nicht nur für den Personen-, sondern auch für den Güterverkehr. In den 1970er- und 1980er-Jahren schränkte die Bahn das Dienstleistungsangebot jedoch immer mehr ein und gab den Bahnhof 1987 schließlich ganz auf. Das Bahnhofsgebäude selbst wurde veräußert und wird heute privat und gewerblich genutzt. Auch die seit 1968 bestehende Straßenbahnverbindung von der Reuterstraße durch das „Städtle“ zum Ostbahnhof wurde 2001 aufgegeben. Es besteht inzwischen aber die Absicht, in den nächsten Jahren wieder einen Bahnhaltepunkt im Bereich des ehemaligen Ostbahnhofs einzurichten.

Hdf_Ostbahnhof
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Der Ostbahnhof von Süden her betrachtet, um 1970 (Stadtarchiv Würzburg, NL Walter Obst, Nr. 125)

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Die Heidingsfelder Mainmühle wurde 1317 erstmals erwähnt. Ab 1381 wurde sie vom Würzburger Stift Neumünster an die Stadt Heidingsfeld als Lehen ausgegeben, die die Mühle wiederum von Pächtern betreiben ließ.

In einer Mühlordnung des 16. Jahrhunderts wurde bestimmt, wie hoch der Mahlpreis zu sein hatte. Heidingsfelder Bürger durften ihr Korn selbst mahlen. Der Müller hatte das Korn seiner Mühlgäste in der Reihenfolge, in der sie erschienen waren, zu verarbeiten: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Im 18. Jahrhundert traten gehäuft Hochwasser und Eisgang auf; das Hochwasser im Februar 1784 richtete im ganzen Maintal große Verwüstungen an. Auch die Heidingsfelder Mainmühle wurde zerstört und innerhalb von zwei Jahren wieder aufgebaut. Um die städtischen Schulden zu verringern, beschloss Heidingsfeld 1810, einige Immobilien zu verkaufen, darunter die Mainmühle. Für 4.905 Gulden erwarb sie der bisherige Pächter Johann Michael Schneider. In der Folge wechselten mehrfach die Eigentümer; unterhalb der Mainmühle wurde zusätzlich eine Öl- und Gipsmühle eingerichtet.

Schulzenmühle

Nachdem Anton Linder die Mühle 1869 ersteigert hatte, stellte er sie auf Dampfbetrieb um. Als infolge der aufkommenden Kettenschifffahrt der Main bei Heidingsfeld 1906 reguliert wurde, fand der Mühlenbetrieb sein Ende. Adam Schulz kaufte die nicht mehr in Betrieb befindliche Mühle 1918; nach dem neuen Eigentümer erhielt sie auch den Namen „Schulzenmühle“. Er richtete dort eine „Kunstmühle“ ein, in der die alten Mühlsteine durch Walzen ersetzt waren. 1921 brannte die Mainmühle bis auf die Grundmauern ab. Die Pläne von Adam Schulz zum Wiederaufbau wurden unter anderem deswegen nicht umgesetzt, weil sich die Mühle im Überschwemmungsgebiet des Mains befand. So blieb die Mühle Ruine. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erneut Pläne zum Wiederaufbau, die aber nicht verwirklicht wurden. Die noch vorhandenen Gebäudeteile, die alte Mühlscheune mit ihren Anbauten, werden seit 1977 von der Fasenachtsgilde Giemaul Heidingsfeld e. V. genutzt; 2006 fand eine grundlegende Renovierung statt.

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Umbauplanung der Mainmühle aus dem Jahr 1828 (Stadtarchiv Würzburg, Bauakten ä.R., Nr. 3977)

Benannt ist die heute aus dem „Städtle“ herausführende Straße nach dem Dollturm links neben dem torartigen Bogen in der Stadtmauer. Dieser Durchbruch durch die Befestigungsanlage ist allerdings nicht mittelalterlich oder frühneuzeitlich, sondern erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden.

Kirche St. Paul

1913 wurde auch die gegenüberliegende in neobarockem Baustil errichtete evangelische Pfarrkirche St. Paul eingeweiht. Damit erhielt die wachsende Zahl der evangelischen Gläubigen des „Städtles“, die vorher zur Pfarrei St. Stephan in Würzburg gehörten, ein eigenes kirchliches Gebäude. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen in Würzburg und Heidingsfeld blieb St. Paul im Zweiten Weltkrieg unzerstört.

Fischzucht

Unmittelbar vor der Stadtmauer befindet sich das Hotel „Zur Fischzucht“; der Name erinnert an die Fischteiche, die in diesem Bereich angelegt worden waren, um die Bewohner des „Städtles“ mit frischen Lebensmitteln zu versorgen.

Hofmannstraße

(Grabmal von Michael Hofmann und jüdischer Friedhof)

Etwas weiter die Straße hinunter in Richtung Bahnlinie steht an der Ecke zur Hofmannstraße seit 2006 das dorthin versetzte Grabmal des ehemaligen Oberamtsrichters Michael Hofmann. Als er 1898 aus dem Leben schied, vermachte er der Stadt Heidingsfeld ein so großes Vermögen, dass diese davon das Nikolausspital erweitern lassen konnte. Um an ihn zu erinnern, benannte die Stadt eine Straße nach ihm. Ein wenig bergan auf der anderen Seite der Hofmannstraße findet sich schließlich der jüdische Friedhof von Heidingsfeld mit ca. 950 erhaltenen Grabsteinen. Heidingsfeld war über Jahrhunderte hinweg ein bedeutendes Zentrum jüdischen Lebens in Unterfranken. Ein eigener Friedhof wurde jedoch erst 1810 eingerichtet. Er diente als Begräbnisstätte für die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Würzburgs bis 1881 und des „Städtles“ bis zur Deportation der letzten jüdischen Gemeindeangehörigen im Zuge des Holocausts 1942.

Grabstein_Hofmann
Grabstein_Hofmann
Grabmals für Michael Hoffmann (2021) Lichtbildstelle II, Heidingsfeld
Dollturm_1
Dollturm_1
Foto des Dollturms (1965)
St-Paul
St-Paul
Postkarte der projektierten evangelischen Kirche St. Paul (um 1912);
Jued_Friedhof
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Fotos des jüdischen Friedhofs (um 1970) Stadtarchiv Würzburg, NL Walter Obst; Stadtarchiv Würzburg, Postkartensammlung; Stadtarchiv Würzburg,
FischzuchtPK
FischzuchtPK
Postkarte des Restaurants „Fischzucht“ mit davor befindlichen Teichanlagen (um 1900);


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