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Gedenkstelen

Hier auf dem Dürrenberg, links von Ihnen auf der anderen Straßenseite, befand sich die „Alte Burg“ von Heidingsfeld. Sie und die in der Nähe gelegene Kirche St. Laurentius waren im Mittelalter die einzigen Gebäude des Ortes aus Stein. Die Burg ist wohl im 12./13. Jahrhundert entstanden, zur gleichen Zeit wie die Unterstadt von Heidingsfeld. 1366 war ihr Wohnturm wohl bereits verfallen.

Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Burg wiederholt als Lehen an verschiedene fränkische Adelige vergeben. Über ihren Bauzustand wissen wir nichts. Zu den Adeligen zählte 1512 zum Beispiel der fürstbischöfliche Amtmann Hans von Berlichingen, der Vater des berühmten Ritters Götz von Berlichingen (ca. 1480-1562). Er nutzte das Areal zum Teil für die fürstbischöfliche Kellerei. Das Ratsprotokollbuch von 1595 bezeugt, dass an Sonn- und Feiertagen mehr junge Leute bei der „Alten Burg“ tanzten und feierten als in die Kirche gingen.

Auch als Schießplatz und zur Lagerung von Bauholz wurde die Fläche gebraucht.

Seit 1698 findet sich in den Quellen für die nächsten zweieinhalb Jahrhunderte ein neuer Nutzer: die jüdische Gemeinde von Heidingsfeld (s. Stele „Synagoge“).

Von der „Alten Burg“ in Heidingsfeld ist heute nur noch ein gotischer Spitzbogen am Kinderspielplatz zu sehen. Er gehörte zu einem kleinen Tor in der Stadtmauer, dem „Pförtlein“, das schon 1641 zugemauert wurde. Bis dahin hatten die Heidingsfelder es als Durchgang genutzt, um im Stadtgraben zu fischen. Das Gelände von Burg und Synagoge wurde in den 1950er Jahren mit Wohnhäusern neu bebaut.

alteburg
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Burg Heidingsfeld Lageplan neu.pdf Schematischer Lageplan „Alte Burg“ 3a Urkatasterplan 1. H. 19. Jh. c geoportal-Bayern.psd Urkataster Heidingsfeld, erste Hälfte 19. Jahrhundert © Bayerische Vermessungsverwaltung Schwarzplan Heidingsfeld Ausschnitt-ohnerot.pdf Lageplan Heidingsfeld, 2018 © Stadt Würzburg

Seit etwa 700 Jahren leben jüdische Menschen in Heidingsfeld. Und 250 Jahre lang befand sich hier auf dem Gelände der Alten Burg das Zentrum ihrer Religionsgemeinde.

Die Größe und Bedeutung der Gemeinde war immer eng gekoppelt an die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Würzburg. Denn die Hauptstadt wurde als Wirtschaftszentrum von den Juden grundsätzlich als Wohnort vorgezogen. Die Judenvertreibungen der Würzburger Fürstbischöfe seit dem 15. Jahrhundert machten jedoch auch das nahe Heidingsfeld interessant. Denn hier galt die fürstliche Ausweisungspolitik nicht, die Kleinstadt gehörte zur böhmischen Krone. König Sigismund erteilte der Stadt 1431 wie einer Reichsstadt das Recht, „juden und judinne“ aufzunehmen und zu besteuern. Seit dieser Zeit und bis 1937 bestand hier eine eigene jüdische Gemeinde.

Als die Würzburger Fürstbischöfe 1628 den Lehnsbesitz von Heidingsfeld übernahmen, hielten sie am Judenschutz fest. So konnte direkt außerhalb der Hauptstadt das neue jüdische Zentrum der Region entstehen. Ende des 17. Jahrhunderts lebten 28 jüdische Familien mit 190 Personen dort. Zusätzlich nahm das Domkapitel seit 1713 eigene Juden auf und wies 17 weiteren Familien zum Wohnen seinen Hof zu, den „Judenhof“.

Die wachsende Zahl der Juden missfiel der Bürgerschaft. Katholische Geistliche stachelten die judenfeindliche Stimmung besonders während des Baus der neuen Synagoge an.

Als seit 1803 wohlhabende Juden wieder in Würzburg wohnen durften, zogen dreizehn Familien aus Heidingsfeld dorthin. Auch der Oberrabbiner verlegte seinen Amtssitz. Zugleich wuchs die jüdische Gemeinde noch bis auf mehr als 500 Mitglieder – und war damit eine der größten Gemeinden in Bayern. 1810 konnte sie ihren eigenen Friedhof an der heutigen Hofmannstraße eröffnen.

Seit den 1840er Jahren und endgültig ab 1861 begann die jüdische Gemeinde deutlich zu schrumpfen. Die bayerischen Juden konnten nun den Wohnort frei wählen und viele Familien zogen nach Würzburg oder in weiter entfernte Großstädte. 83 jüdische Bürger lebten 1933 noch im neuen Würzburger Stadtteil Heidingsfeld, 1937 sind es nach ersten Verfolgungsmaßnahmen nur noch 42. Mindestens zwölf jüdische Heidingsfelder wurden vom NS-Staat deportiert und ermordet, darunter Herta Mannheimer.

An die deportierten Jüdinnen und Juden erinnert der Koffer hier und ein zweiter am DenkOrt Deportationen vor dem Würzburger Hauptbahnhof.

juedischegemeinde
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Judenhof-cmyk.psd Der Eingang zum ehemaligen „Judenhof“, um 1900 © Sammlung Walter Obst, nach: Leng, Geschichte der Stadt Heidingsfeld, 2005, S. 434 WüHe27.psd Leopold Bamberger (1845-1912), als Heidingsfelder Original „Lord Bambux“ bekannt © Stadtarchiv Würzburg, NL Walter Obst, Sign. 201 Felix Freudenberger c Sammlung Roland Flade2.psd Felix Freudenberger (1874-1927), in Heidingsfeld aufgewachsen, Stadtrat und 4. Bürgermeister in Würzburg, Landtagsabgeordneter (SPD) © Bayer. Landtag, Foto: Haus der Bayer. Geschichte Stadtrat_Hdf_NLObst.psd Herta Mannheimer (1891-1943), SPD-Stadträtin in Heidingsfeld, 1929 © Stadtarchiv Würzburg, NL Walter Obst, Sign. 201

Die kleine jüdische Gemeinde in Heidingsfeld traf sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts in einer „judenschul“ an unbekanntem Ort zum Gebet. Erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts brauchte man mehr Platz. Die Gemeinde erwarb das Gelände der Alten Burg und errichtete dort 1698 eine Synagoge mit zwei Nebengebäuden für den Rabbiner und den Vorsänger. Später umgab sie das Gelände mit einer Mauer.

Zu dieser Zeit besaß die Kleinstadt eine wichtige Rolle als jüdisches Zentrum der Region – so wie im Mittelalter die Würzburger Gemeinde. Der Sitz des Landesrabbiners und der Landesjudenschaft, der regionalen jüdischen Selbstverwaltung, befand sich hier.

Nach 80 Jahren musste die erste Synagoge wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Der Architekt Johann Michael Fischer entwarf 1778 einen Neubau nach dem Vorbild zeitgenössischer Schlossarchitektur. Das imposante Gebäude stieß auf Widerstand, es kam zu offener Aggression. Am Ende konnte der Bau nur mit schlichterer Fassade errichtet werden.

In der Synagoge und den beiden benachbarten Gebäuden fand nicht nur das religiöse, sondern auch das soziale Leben der Gemeinde statt. Auch die große Zahl durchreisender Juden wurde hier versorgt. Im 19. Jahrhundert standen gravierende Veränderungen an: Der Oberrabbiner zog nach Würzburg, die Landesjudenschaft musste sich auflösen. Wenig später gründete die jüdische Gemeinde eine eigene Schule. Denn die jüdischen Kinder, zuvor von Privatlehrern unterrichtet, unterlagen nun der Schulpflicht. Die christlichen Bürger lehnten jedoch eine gemeinsame Elementarschule ab. Die jüdische Schule bestand im Rabbinerhaus neben der Synagoge von 1819 bis 1925.

In den 1920er Jahren schulterte die kleine Gemeinde die Renovierung ihrer großen Synagoge, in der noch bis 1938 Gottesdienste stattfanden. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kamen SA-Männer aus Heidingsfeld. Mit dem Inventar zündeten sie das Gebäude an, das bis auf die Grundmauern abbrannte. Die zuvor beschlagnahmten Archivalien sowie Tora-Rollen und Ritualgeräte gelangten in das Staatsarchiv Würzburg und in das Mainfränkische Museum und blieben dort teilweise erhalten.

Die Ruine des Gebäudes stand noch bis in die 1950er Jahre. An die große Heidingsfelder Synagoge erinnert heute nur noch ihr Chuppa-Stein im Würzburger Gemeindezentrum Shalom Europa. Seit 1986 mahnt die Säule in der Nähe des Synagogenstandorts zum Gedenken.

synagoge
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3b Synagoge Heidingsfeld Sta Wü (Unicode-Codierungskonflikt).psd Synagoge und Schulhaus mit der Umfassungsmauer von 1764 © Stadtarchiv Würzburg, Zeitgesch. Sammlung, Jüdisches Leben Grundriss nach Harburger1.psdUrkataster Heidingsfeld, erste Hälfte 19. Jahrhundert Grundrissrekonstruktion der Heidingsfelder Synagoge, nach Maßangaben von Theodor Harburger (1927, CAHJP, P 160a/79). Zeichnung: Cornelia Berger-Dittscheid 1911 - Blick v. Jahnhoehe, co.psd Postkarte mit Blick auf Heidingsfeld mit dem hohen Dach der Synagoge, Michael Greiner, um 1910 © Sammlung Dürrnagel SynagogeHdfinnen_undat.psd Innenraum der Synagoge mit Toraschrein, Almemor und Blick auf die Frauenempore, nach 1929 © Stadtarchiv Würzburg, Fotosammlung 3d Ruine der 1938 zerstörten Synagoge in Heidingsfeld c StAW LG Wzbg Staatsanw 320 (Unicode-Codierungskonflikt).psd Ruinen der 1938 zerstörten Synagoge und der jüdischen Volksschule © Staatsarchiv Würzburg, LG Würzburg, Staatsanwaltschaft 320


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