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Jahresschlusssitzung des Stadtrats

Ausblick in „Wunschpunsch“-Kulisse, Umtrunk im neuen Theaterfoyer

Jahresschlusssitzung-2
Jahresschlusssitzung-2
Chancen und Risiken: Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach über die Potenziale Künstlicher Intelligenz für Verwaltungen. Fotos: Georg Wagenbrenner

„Was sind das doch für satanarchäolügenialkohöllische Zeiten?“ mögen sich einige Besucherinnen und Besucher der Jahresschlusssitzung des Würzburger Stadtrats gedacht haben.
Nur wenige Wochen nach der Eröffnung des Kleinen Hauses des Mainfrankentheaters hatte sich erneut viel Prominenz aus Politik, Gesellschaft und den Kirchen in der neuen Spielstätte versammelt, um in der 64. Sitzung des Würzburger „Kommunalparlaments“ den Reden von Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann und Oberbürgermeister Christian Schuchardt zu lauschen. In einer solchen Kulisse dürften beide noch nicht am Rednerpult gestanden haben. „Der Wunschpunsch“ von Michael Ende ist das Familienstück dieser Saison, die Kulisse blieb auch für den feierlichen Abend stehen und so spukten durch den Hintergrund ein Furcht einflößender Hai, ein riesiger Wolfskopf und viele weitere Zauberutensilien, die so nicht jeder in der Garage hat.

In diesem Bühnenbild wirkten Worte wie „Krisenmodus“ oder „Mehrfachkrise“ noch einmal ganz anders. Dr. Ehmann kam von den großen Herausforderungen aber schnell zu den Gemeinsamkeiten und der guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und Regierung. Beispielsweise auf dem Feld der Migration: „Für die reibungslose Zusammenarbeit in diesem Bereich danke ich ganz besonders. Sie verläuft unspektakulär und sachorientiert. Immer wieder gelingt es der Stadt, trotz eines mehr als angespannten Wohnungsmarktes, eigene Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Die Lasten, die sich durch die vorhandenen staatlichen Unterkünfte ergeben, trägt die Stadt geduldig.“ Dies stimme Ehmann optimistisch, dass man auch gute Lösungen für Einrichtungen der Kinderbetreuung und die Schulen finden werde, die aktuell stark belastet sind. Es brauche aber neue Konzepte, und die Diskussion müsse im neuen Jahr beginnen.

Der Regierungspräsident erinnerte an große Spatenstiche und Richtfeste im Jahr 2023 vom HIRi bis zum Zentrum für Philologie und Digitalität. Letzteres belege den Platz der Geisteswissenschaften auch in einer Zukunft, die stark von künstlicher Intelligenz geprägt sein wird.

Jahresschlusssitzung-4
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Im Krisenmodus optimistisch bleiben: Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann würdigte die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. 

Das Thema KI war auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt eine Grundsatzrede wert. Er zog keine ausführliche Bilanz mit Blick in alle sieben Referate der Stadtverwaltung, sondern setzte sich nach einer komprimierten Rückschau intensiv mit dem Megatrend auseinander, der spätestens durch Chat-GPT in aller Munde ist. KI habe das Potenzial in wenigen Jahrzehnten auch alle Gewissheiten über die Organisation von Verwaltungen auf den Kopf zu stellen. „Als Anwendungsbereiche gelten aktuell bereits Chatbots, die gegebenenfalls mittelfristig Bürgerbüros entlasten können, wie auch Unterstützung bei Rechercheaufgaben, Erstellung von Grafiken, Abrechnungen etc. bieten. Aber nur wenige Kommunen setzen dies bereits um – wir gehören seit einigen Wochen dazu. Falls Sie zuletzt nicht auf unserer Startseite waren, holen Sie dies bei Gelegenheit nach und testen Sie unseren neuen Chatbot!“

Schuchardt orientierte sich an einer Studie des Fraunhofer-Instituts und skizzierte drei unterschiedliche Szenarien. Theoretisch denkbar seien Entwicklungen hin zu einer KI-Dominanz in Zeiten des Fachkräftemangels oder auch ein Ausbau der staatlichen Kontrolle des gläsernen Bürgers durch ungerechtfertigte Auswertungen von Daten, aber auch ein perfektes Zusammenspiel von Mensch und Maschine im Bereich der Verwaltung mit enormem Servicepotenzial. Letzteres sei naturgemäß das Ziel, man müsse auf dem Weg dorthin aber stets die Ängste vor den anderen Szenarien sehr ernst nehmen: „Wir müssen uns bewusst sein, dass Bürger, die kein Vertrauen in dieses System haben, Dienstleistungen dieser Art bei privaten Unternehmen meist meiden würden. Im Bereich der Verwaltung sind wir aber Monopolist. Es ist somit ein öffentlicher Diskussionsprozess von Nöten, an dessen Ende eine rechtsstaatliche Produktion des Verwaltungshandelns stehen muss.“

Schuchardt schloss den Kreis zur besonderen Kulisse der Jahresschlusssitzung, indem er seine Gedanken zur KI zusammenfasste: „Wir werden die vielleicht größte technologische Veränderung aller Zeiten – so deutlich muss man es nennen – nicht aufhalten können. Würden wir es versuchen, würden wir sie den finsteren Mächten der Welt überlassen, die überlegen könnten, welchen fiesen KI-Lügen-archäorobotischen Wunschpunsch“ sie daraus brauen wollen. Wir müssen die Entwicklung mitbegleiten, mitgestalten und dabei aufpassen, dass wir die Menschen auf diesem Wege mitnehmen.“

Angesichts des skizzierten Wandels, der vor der Verwaltung und allen Bürgerinnen und Bürgern liegen dürfte, hätte einem schwindelig werden können, hätte der Chor des Mainfranken Theaters unter der Leitung von Sören Eckhoff und begleitet von Silvia Vassallo Paleologo am Flügel und den Blechbläsern des Philharmonischen Orchesters nicht mit einem weihnachtlichen Programm beruhigend gegengesteuert. „Jauchzet, frohlocket“, „Dona nobis pacem“ oder „Tochter Zion“ erhielten viel Applaus und bisweilen mischten sich unter die Profi-Stimmen einige Laien-Sänger aus dem Publikum als Generalprobe für Heiligabend.

Die feierliche Stunde wurde auch für eine interkonfessionelle Segnung des Kleinen Hauses genutzt. Dr. Wenrich Slenczka (Evangelisch-lutherische Kirche), Domkapitular Stefan Gessner, Rabbiner Shlomo Zelig Avrasin und Emre Kaya als Vertreter des Imams des Vereins „Integration, Kultur und Bildung in Würzburg e.V.“ übernahmen gemeinsam diese Zeremonie.

Jahresschlusssitzung 2023-6
Jahresschlusssitzung 2023-6
Jahresschlusssitzung2023_6 Stimmungsvoll: Der Chor des Mainfranken-Theaters mit weihnachtlichem Programm. 

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