Gedenken an den 16. März 1945: 20 Minuten, die Würzburg für immer veränderten
Was können gerade die lange nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Bürgerinnen und Bürger aus dem 16. März 1945 lernen? Gibt dieses traumatische Ereignis Jahrzehnte später vielleicht sogar Grund zur Hoffnung? Mit Blick auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine oder den eskalierten Nahostkonflikt bejahte Schuchardt diese Fragen in seiner Rede: Würzburg sei längst schon wieder eine Stadt, deren Sehenswürdigkeiten Touristen aus aller Welt anzögen. Eine Stadt, die zum Verweilen einlade. Und eine Stadt, die für eine offene und plurale Gesellschaft stünde. Dies könne, ja müsse, Hoffnung und Mut machen, in einer Welt die immer wieder aus den Fugen gerate. Wiederaufbau und Aussöhnung mit früheren Feinden ist möglich.
Der 16. März ist ein vielschichtiger Tag der Erinnerungskultur, koordiniert vom Fachbereich Kultur der Stadt Würzburg und dem Stadtarchiv. Einige Formate wie das Gedenkkonzert, diesmal bestritten vom Oratorienchor Würzburg in der St. Johannis Kirche oder das abendliche Mahnläuten aller Kirchen sind als Programmpunkte nicht mehr wegzudenken. Zusätzlich kamen auch in diesem Jahr neue Impulse hinzu wie ein Audiowalk des Mainfranken Theaters oder ein literarischer Stadtrundgang mit einer Lesung an den Spielorten des Romans „schuld bewusstsein“ mit der Autorin Sonja Weichand. Siehe auch das vollständige Programm unter Gedenkveranstaltungen 16. März.
Die Wahrnehmung, wer welche Schuld oder Mitschuld am 16. März 1945 trägt, hat sich über die Jahrzehnte ebenfalls stark gewandelt, was auch Schuchardt in seiner Rede vor der Kranzniederlegung reflektierte: „Würzburg hat vor fast 80 Jahren unheimlich viel Leid erfahren. Punkt. Doch wir dürfen bei alledem nicht vergessen: Es waren auch Menschen dieser Stadt, die sich an den Gräueltaten der Nazis direkt oder indirekt beteiligt haben. Wir waren keine Insel der Unschuldigen. Daher haben wir Nachkriegsgenerationen eine besondere Verantwortung. Für das: „Nie wieder!“. Für eine authentische Erinnerungskultur. Und ja, schlussendlich auch für ein gewisses Schuldbekenntnis. Dies einzugestehen bzw. die Erinnerung immer wieder am Leben zu erhalten, kostet Überwindung. Aber sie setzt auch Kräfte frei, die den Weg zur Versöhnung ebnen.“ Unversöhnlich zeigte sich der Oberbürgermeister angesichts neuer Formen von Rechtsextremismus und erinnerte beispielsweise an die „Trierer Erklärung“. Mit dieser Resolution hatten sich der Deutsche Städtetag und wenig später auch weite Teile des Würzburger Stadtrats von jüngsten Positionierungen in der Migrations- und Asylpolitik distanziert, die schlicht mit der Menschenwürde unvereinbar seien und nur zur Spaltung der Gesellschaft beitrügen.
(16.03.2024)