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#gleichberechtigt

Mythos, Macht, Männlichkeit

Aufsatz der Gleichstellungsbeuaftragten Dr. Zohreh Salali

„Eine wesentliche Funktion des Mythos – wie beispielsweise die condition humana des klassischen Humanismus –, an Stelle der Geschichte der Dinge, eine sich vorgestellte „Natur“ zu stellen. Es verberge sich dahinter ein „ideologischer Missbrauch“ dem er in seinen Mythen des Alltags nachging. Roland Barthes: „Mythen des Alltags“

In der jahrtausendelang geübten Praxis der stereotypen Variation des Themas „Männlichkeit“ und seine „zeitüberschreitende“ Betrachtungsweise bezogen auf unsere gesellschaftspolitische Entwicklung bleibt das Thema Gegenstand mystifizierender Spekulationen. Seit jeher ist die „Männlichkeit“ Inbegriff von „Macht und Mythos“, „Dominanz und Dynamik“

Und damit ist „Männlichkeit“ der Ursprung von Mensch und Kulturen, das Dasein der Menschen wird oft mit seiner Dynamik in Verbindung gebracht, verknüpft mit „Göttlichkeit“.

In diesem Sinne erheben die verschiedenen Variationen der „Männlichkeit“ alleinigen Anspruch auf die von ihr behauptete „Wahrheit“- durch ihre Sichtweise bekommen Menschen, Ereignisse von hehrer symbolischer Bedeutung und sie haben zugleich die „absolute Wahrheit“ inne, die ihre Existenzberechtigung sichert. Diese fabulös legendäre Weltverklärung beflügelt seit jeher die menschliche Phantasie.

Die Fiktion wird als Realität betrachtet und die wahrgenommene Realität durch zugetragene Eigenschaften in seinem magischen Ursprung betont.

Die etymologische Definition der mytologia (Erzählungen) von Geschichten fußt auf dem Grund eines Grundtextes der Männlichkeit. Die Erzählung ist selbst die Begründung für das Erzählte. Sie basiert nicht auf Wissen, ihre Substanz hat keinen Erzählstil und besitzt keinen Subtext. Sie wird nicht hinterfragt und liefert eine gangbare Welterklärung, ohne Belege noch Begründungen - die Strukturen der Mythen sind nicht entscheidend, sondern die Inhalte.

Die Details und Subtexte können und dürfen individuell und variabel gestaltet werden. Welche Anziehungskraft sie - mit geheimnisvollen Symbolen und deren magischen Kräften - auf die Menschen ausüben können, sehen wir in zeitgenössischen Debatten über Nation, Kultur, Werte, Grenzen, Wirtschaftsmacht und die Teilung der Welt in Gewinner und Verlierer und schließlich in den Debatten um Gender.

Man will per se nicht frauenfeindlich sein, ausländer- und fremdenfeindlich sein, nicht Kriege führen, aber die Inhalte und Subtexte des Mythos der „Männlichkeit“ werden wiederholt.

Gefördert werden solche Subtexte nicht durch Unvermögen rätselhafter Figuren ohne nähere deutbare Motive, die Erzeugnisse übernatürlicher Kräfte sind, die nur da sind, um Feindbilder zu generieren, sondern es sind reale Menschen, die in der Tiefe gebliebene Legenden und Mythen an die Oberfläche heben und tragen.

In diesem Kontext ist das Aufkommen des „Männlichkeitsmythos“ als Übernahme neuer Kulte  zu sehen, deren Ursprünglichkeit tief in geschichtlicher Mythenwahrnehmung liegt und neue adaptiert und transformiert und mit eigener Phantasie kanonisiert werden.

Die modernen „Priester und Priesterkönige“ werden als Inkarnation oder Vertreter eigener astraler Gottheiten und zentraler Figuren eigener Kultur oder politischer Gemeinschaft gefeiert.

Blumenberg ist der Meinung, dass die Mythen als Weltdeutung in früherer Zeit das Bedürfnis der Menschen nach Orientierung und Sicherheit angesichts des „Absolutismus der Wirklichkeit“ dienten - „Angst muss immer wieder zu Frucht rationalisiert werden“ - was durch Namen identifizierbar wird, kommt aus seiner Metapher heraus, das Unerklärliche wird erklärt.

Ich teile seine Meinung mit einer Einschränkung: das gilt nicht nur für frühere Zeiten, sondern gilt auch noch für unsere Zeit.

Um die Männlichkeit kräuseln sich Mythen und Sagen. Heldengeschichten, Tapferkeitsriten- und Rituale und Unbesiegbarkeitslegenden, Eroberungsmärchen, unabdingbarer Drang zum Machtanspruch, magische sexuelle Kraft, Auffassung von Autorität, höherer Wahrheit und allgemeiner Bedeutsamkeit:

Solche zugetragenen Eigenschaften führen letztendlich zu den Erkenntnissen, dass nur der Mann Schöpfer menschlicher Geschichte sei. Aufgrund menschlicher Phantasie, die in der Lage ist mannigfaltig und fortlaufend variierende Umformung des Mythos „Männlichkeit“ zu entwickeln, untersteht sie in jeder zeitgenössischen Phase inneren Wandlungen, die aber im Kern gleich bleibt. Mythos Männlichkeit ist gleich Macht. Zwar lassen sich einige Merkmale, Strukturen und Funktionen oder sogar Teilbegriffe dekonstruieren, dennoch bleibt im Kern „Männlichkeit“ gleich Dominanz, die in einer spezifischen Weise „Weltwahrheit“ erklärt.

Ihre anthropogenen Mythen thematisieren die Erschaffung der Welt mit bestimmten Epen und Dramen, Riten und Gebräuchen; Strukturen und Institutionen, Taten und Schicksalen von Göttern und Helden, Verrätern und Ungläubigen, Skeptikern und Fragenden, Kritikern und Rebellen und schließlich weiblichen Wesen

Die Gründungsmythen der „Männlichkeit“ sind weitgehend durch die Einteilung der Geschichte in besiegte oder Sieger-Völker gekennzeichnet, die durch „ausgewählten Personenkreis wie, Krieger, Herrscher, Helden oder Priester“ Erklärung zu suchen scheint.

Die moderne Überzeugung des Mythos „Männlichkeit“ dient oft dazu, trotz zunehmender Auseinandersetzung, die menschliche Geschichte etwas allgemein zu suchen und zu erklären, den Mythos „Männlichkeit“ zu rehabilitierten.

Trotz unterschiedlicher Mythen verschiedener Kulturen gibt es übergreifende und übereinstimmende und unveränderte zentrale Motive der Mythen.

Nämlich den Ursprung menschlicher Geschichte als männlich zu deuten.

Der Unterschied ist nur in der Auslegung des männlichen Ursprungs, die zeit- und ortsabhängig ist.

Sie (Phantasie) versucht den Antagonismus zwischen dem Mythos von „Männlichkeit“ und den realen Tatsachen nach wie vor zu Gunsten des Mythos umzudeuten und mit modernem Wissen und Mitteln den Mythos „Männlichkeit“, etwa als ritualisierte Wiederholung von bestimmten geschichtlichen Fiktionen, durch Erklärungsmuster oder ein Fabrikat mit großer öffentlicher Ausstrahlung zu verharmlosen.

Kultobjekte haben ihren Platz mit Stars und Ikonen der Filmdarstellungen, Sport und anderen Medien getauscht. Sie werden nicht mehr im religiös überlieferten und legitimierten Sinn vergöttert und dennoch erzeugen diese Mythen aus Kino und Medien, Sport und sozialen Netzwerken eine soziale Identifikation und halten die „Männlichkeitsmythen“ in neuem Kostüm aufrecht. Eigenschaften des „männlichen Körpers“, wie Muskulatur, tiefe Stimme oder andere „typische Merkmale“, die mystifiziert wurden, werden in neue Formen revitalisiert.

Im Kontext der historisch und kulturellen Geschlechter-Forschung analysiert die australische Soziologin Raewyn Connell, dass es viele Ausprägungen der Männlichkeiten gibt, die in derselben Kultur nebeneinander existieren können – diejenige die als vorherrschende „Männlichkeit“ akzeptiert oder sich durchsetzen kann, wird als „Hegemoniale Männlichkeit“ bezeichnet, mit bestimmten Zuschreibungen.

Diese meisten archetypischen Zuschreibungen, die komplett außerhalb Wissenschaftlicher Diskurse erfolgen, entmummen sich bei genauerer Analyse als Geschlechterrollenzuschreibungen. Eine Konstruktion für ein bestimmtes Ziel.

Aber die Rollenzuschreibungen stehen antagonistisch zu faktischer anthropologischer Offenheit aller Menschen und verletzen damit auch die Freiheit des individuellen Willens, sich selbst zu definieren. Solche Rollenzuschreibungen, die oft auch zeitüberdauernd sind, verschärfen die Geschlechterbeziehungen und oft führen sie dazu, dass die „Männlichkeit“ zum Maßstab und die„Weiblichkeit“ als Abweichung betrachtet wird.

Der Mythos „Virilität“ („männlich“) („Manneskraft“) wird oft als „natürlich“ bzw. „göttlich gewollte“ Kraft mit bestimmten Eigenschaften assoziiert, die mit Potenz, Stärke und Dominanz gleichgesetzt wird.

Eine der wichtigsten Eigenschaften aller Mythen ist die Zeitlosigkeit. Die Gegenwart und Vergangenheit sind untrennbar. Sie sind Sein und Vergangen zugleich, nur der symbolische Vollzug ist dem Geist der Zeit unterworfen.

Wenn der symbolische Vollzug innerhalb einer Kultur, Struktur, oder Prozeduren durch bestimmte Rollenzuschreibungen Macht an ein Geschlecht verleiht die Entscheidungsprozesse zu steuern, dann entsteht automatisch eine Asymmetrie. Insbesondere, wenn die Machteinflüsse politisch, religiös, oder wirtschaftliche Interessen sind.

Susan Strange meint, Akteure können dann mächtig sein, wenn sie sich die Macht über Strukturen aneignen.“ Mächtig sind Akteure also immer dann, wenn sie in der Lage sind, Strukturen so anpassen zu können, dass es dem eigenen Vorteil gereicht und sich die anderen Konkurrenten/Akteure anpassen müssen. So besitzen sowohl Strukturen selbst als auch alle, die auf sie einwirken können, Macht.

Und wenn diese „Macht“ durch „Göttlichkeit“, „Gesellschaft“, „Natur“, „Geschichte“, „Moral“, „Werte“, „Gesetze“ legitimiert ist, dann lässt sich die Frau beeinflussen, weil sie der Ansicht ist, dass der Machtausübende ein Recht dazu hat, über sie zu bestimmen und ihr Verhalten zu orientieren.

Max Weber bezeichnet den Machtbegriff „soziologisch amorph“:

„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.

Nicht nur in dem soziologischen Diskurs wird über Macht debattiert, sondern sie ist ein zentrales Thema der Ethik- Debatte.

Wenn wir uns auf Platons Konzeption über Macht zurückgreifen “und Macht als erwünschtes Mittel zur Verwirklichung sittlicher Ziele“ sehen, dann ist es an der Zeit, dass die Frauen zur Verwirklichung gerechter Geschlechterverhältnisse die Macht ausüben sollen.

„Die Distanz des Subjekts zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, gründet in der Distanz zur Sache, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“ so Adorno 

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